IDA | Intelligentes dezentrales Abwassermanagement 4.0

Abwasser als Ressource
Intelligent | Nachhaltig | Dezentral

Mit interdisziplinärer Forschung zur nachhaltigen Nutzung der Ressource Abwasser

Nach Schätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) werden im Jahr 2025 voraussichtlich 1,8 Milliarden Menschen in Ländern mit absolutem Wasserstress leben. Der Mangel an hygienisch einwandfreiem Trinkwasser ist sowohl für das Leben, den Lebensunterhalt und die Gesundheit der Menschen als auch für die Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung (UNEP, 2022).

 

Hintergrund

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts rückt die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser verstärkt in den Fokus eines nachhaltigen Managements der Ressource Wasser. Die klimatischen Veränderungen und der damit verbundene globale Anstieg der mittleren Jahrestemperatur verändern die Niederschlagshäufigkeit und -intensität. Folglich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für schwere Regenereignisse, extreme Hitze, Dürre und Feuer weltweit, und das Risiko für die Wasserversorgung steigt erheblich.

Insbesondere in ländlichen Regionen des globalen Südens mit geringer Siedlungsdichte und schwer erschließbaren Gebieten, in denen keine zentralen Wasserinfrastruktursysteme existieren und in denen der Bau solcher Infrastrukturen aus Kostengründen auch mittel- bis langfristig nicht vorgesehen ist, spielt ein nachhaltiges dezentrales Abwassermanagement eine bedeutende Rolle. Ziel der Forschungsarbeiten im Projekt Intelligentes Dezentrales Abwassermanagement 4.0 (IDA) ist die Etablierung eines innovativen Brauchwasserkreislaufs, um die Effizienz der Wassernutzung erheblich zu fördern. Diese Entwicklungen sind sowohl für den Technologietransfer in den globalen Süden als auch für die Nutzung in Deutschland von großer Bedeutung.

 

 

Obwohl in Deutschland bisher noch ausreichend Vorräte an Grundwasser mit sehr guter Qualität vorhanden sind, gewinnt das Thema der nachhaltigen Nutzung der Wasservorräte und die damit verbundene Notwendigkeit zum Wasserrecycling in Folge des Klimawandels zunehmend an Bedeutung.

Zum einen gibt es auch in Deutschland Regionen, die erheblich unter Wassermangel leiden und deswegen per Fernwasserleitung mit Trinkwasser versorgt werden. Zum anderen vergrößern sich die Probleme im Zuge des Klimawandels: Neben längeren Trockenperioden werden die mit dem Klimawandel häufiger auftretenden Starkregenereignisse nicht in ausreichendem Maße zur Grundwasserneubildung beitragen. Im Süden Sachsen-Anhalts wird seit längerem ein fallender Grundwasserspiegel beobachtet (Schnase, BA-Arbeit HS Merseburg 2021). Deshalb forscht die Hochschule Merseburg daran, wassersparende Technologien zu entwickeln und Abwasser so aufzubereiten, dass es wiedergenutzt werden kann, z.B. für die Bewässerung. Durch die Aufbereitung von Abwasser soll somit die Nutzung von Grundwasser verringert werden.

 

Entwicklung von Analyseverfahren und Charakterisierung

Die Rolle der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Valentin Cepus bestand in der Suche nach und der Entwicklung von Verfahren, um die Wirkung der Reduktion von Spurenstoffen durch die Kläranlage charakterisieren und dokumentieren zu können.

Hierbei wurde der Schwerpunkt auf drei zu untersuchende Stoffe gelegt, die typische Vertreter in Hausabwässern darstellen. Es handelte sich um die Leitsubstanzen Diclofenac (Schmerzmittelwirkstoff), Benzotriazol (medizinische Anwendungen und Geschirrspültabs) sowie Acesulfam K (Süßungsmittel). Für diese Stoffe wurden Verfahren auf der Basis von Gaschromatographie und Flüssigchromatographie entwickelt (Abb.1). Da sich herausstellte, dass ein direkter Nachweis dieser Stoffe in der üblichen sehr geringen Konzentration in Abwässern nicht möglich war, wurde ein zusätzliches Anreicherungsverfahren der Analyse vorangestellt.

Eine weitere Fragestellung bestand in der Untersuchung von Abbauprodukten infolge der Behandlung in der Hauskläranlage durch die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht. Es konnte erfolgreich charakterisiert werden, welche Folgeprodukte in Zusammenhang mit den untersuchten Leitsubstanzen stehen und eventuell auch toxikologisch relevant sein könnten. Dazu wurden mit den untersuchten Stoffen bei erhöhter Konzentration Bestrahlungsversuche durchgeführt und die Unterschiede der Zusammensetzungen untersucht und dokumentiert.

 

Gaschromatograph (GC) / Massenspektrometer (MS). Das Diagramm zeigt ein Totalionenchromatogramm eines Klärwasserextraktes mit zugesetztem Diclofenac

Abb. 1:  Gaschromatograph (GC) / Massenspektrometer (MS)

 

Gaschromatograph (GC) / Massenspektro- meter (MS). Das Diagramm zeigt ein Totalionenchromatogramm eines Klärwasserextraktes mit zugesetztem Diclofenac

Das Diagramm zeigt ein Totalionenchromatogramm eines Klärwasserextraktes mit zugesetztem Diclofenac.

 

Entwicklung von Sensorik zur kontinuierlichen Überwachung des Brauchwassers

Die Aufgabe der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Klaus-Vitold Jenderka bestand in der Entwicklung eines ultraschallbasierten Verfahrens zum Monitoring der Wasserqualität, das in den Brauchwasserkreislauf von Hauswasserkläranlagen integriert und zur Optimierung der Anlagensteuerung genutzt werden kann. Das Verfahren basiert auf einer Sensorkonfiguration, die in eine Rohrleitung eingebunden werden kann (Abb. 2).

Zwei gegenüberstehende Ultraschallwandler erfassen dabei kontinuierlich die charakteristischen Veränderungen der Ultraschallsignale im Frequenzbereich bis zu 10MHz während der Ausbreitung im Brauchwasser. Abhängig vom Anteil an Schwebstoffen im Brauchwasser werden die Ultraschallsignale aufgrund der frequenzabhängigen Streuung und Absorption charakteristisch verändert. Dieser Effekt konnte für Schwebstoffanteile bis zu 20 % experimentell bestätigt werden (Abb. 2).

Für die Einbindung der Sensorik in die Steuerung der Kläranlage wurden Verfahren zur Extraktion von spezifischen Parametern entwickelt und erfolgreich erprobt, die mit geringen Anforderungen an die Hardware der Signalerfassung eine sichere Klassifizierung des Schwebstoffanteils ermöglichen.

 

Sensoreinheit mit montier- tem Gehäuse für die Elektronik- baugruppen. Die Grafik zeigt die Messergebnisse für Wasserproben mit unterschiedlichen Schweb- stoffanteilen.

Abb. 2: Sensoreinheit mit montiertem Gehäuse für die Elektronikbaugruppen.

 

Sensoreinheit mit montier- tem Gehäuse für die Elektronik- baugruppen. Die Grafik zeigt die Messergebnisse für Wasserproben mit unterschiedlichen Schweb- stoffanteilen.

Die Grafik zeigt die Messergebnisse für Wasserproben mit unterschiedlichen Schwebstoffanteilen.

 

Mikrobielles GeoEngineering

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hilke Würdemann führte im Projekt IDA mikrobiologische Untersuchungen durch. Im Rahmen der Kooperation mit der Firma Batchpur GmbH & Co KG wurde ein effektiver Brauchwasserkreislauf entwickelt. Dafür sind Verfahren zur Hygienisierung des gereinigten Abwassers, zum Spurenstoffabbau und zur Dosierung von Chemikalien für SBR-Kleinkläranlagen optimiert worden.

Die Untersuchungen zum Einfluss von Spurenstoffen und verschiedenen Maßnahmen zur Desinfektion belegen die Wirksamkeit des Advanced Oxidation Processes (AOP)-Verfahrens in Bezug auf die mikrobielle Biozönose. Dabei wird das in einer Kleinkläranlage vorgereinigte Abwasser mit einer Kombination aus UV-Bestrahlung und Wasserstoffperoxid (H2O2) behandelt. Beide Verfahren können auch einzeln genutzt werden, um die Zahl der Bakterien (Keimzahl) und andere Abwasserinhaltsstoffe (z.B. CSB oder Stickstoffverbindungen) zu reduzieren. Problematisch ist dabei allerdings, dass die Wirkung meist nur kurzfristig ist und auch oft nicht im gewünschten Maß eintritt. Daher wurden UV-Bestrahlung und H2O2-Zugabe kombiniert in einem AOP-Reaktor (Abb. 3).

Hierbei konnte ein erheblicher Einfluss auf die Häufigkeit der Mikroorganismen (gemessen mit Keimzahlbestimmung und durch den Nachweis der bakteriellen DNA (qPCR), Abb.4) und die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft, die durch Sequenzierung analysiert wurde, nachgewiesen werden. Auch Spurenstoffe wie Benzotriazol (z.B. in Korrosions- und Frostschutzmitteln enthalten) können durch die AOP-Behandlung aus dem Abwasser entfernt oder zumindest in der Konzentration reduziert werden.

 

Abb. 3: Schematische Darstellung des Aufbaus des AOP-Reaktors

Abb. 3: Schematische Darstellung des Aufbaus des AOP-Reaktors

 

Abb. 4: Mikrobielle Abundanz gemessen als Genkopien (16S rRNA) im Fluid vor und nach Einsatz der UV-Lampe und Zugabe von H2O2 (AOP-Reaktor, senkrechte Linie), Nachweisgrenze 7 × 10⁶ Kopien / ml

Abb. 4: Mikrobielle Abundanz gemessen als Genkopien (16S rRNA) im Fluid vor und nach Einsatz der UV-Lampe und Zugabe von H2O2 (AOP-Reaktor, senkrechte Linie), Nachweisgrenze 7 × 10⁶ Kopien / ml

 

Fazit

In ländlichen Regionen geringer Siedlungsdichte oder in schwer erschließbaren Gebieten ohne Anschluss an zentrale Wasserinfrastruktursysteme wird ein nachhaltiges, dezentrales Abwassermanagement eine entscheidende Rolle für die Etablierung einer effizienten Wassernutzung spielen.

Das von der Firma Batchpur entwickelte Verfahren zur Wiedernutzung von häuslichem Abwasser konnte im Zuge des Forschungsvorhabens um Sensorik zur Messung des Schwebstoffanteils und um eine Verbesserung der Dosierung von Fällungsmittel (Nikolai, BA-Arbeit HS Merseburg 2020) ergänzt werden. Ein wichtiger technischer Baustein für die Kleinkläranlage ist eine sichere Überwachung sowie eine wartungsarme, exakte Dosiereinheit, um benötigte Chemikalien während der Behandlungsstufen zu dosieren.

Die Wirksamkeit der AOP-Behandlung im Anschluss an eine Behandlung häuslichen Abwassers in einer Kleinkläranlage wurde bestätigt. Die Untersuchungen zum Einfluss von Spurenstoffen und verschiedenen Maßnahmen zur Desinfektion belegen die Wirksamkeit der AOP-Behandlung in Bezug auf die mikrobielle Biozönose (Severin, BA-Arbeit HS Merseburg 2020). Die Kombination aus H2O2 und UV-Bestrahlung zeigte eine erhebliche Verringerung des Vorkommens (der Abundanz) der Mikroorganismen sowie auch eine Veränderung der Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft.

Die entwickelten Technologien werden von der Firma Batchpur GmbH & Co KG bereits in ihren Kleinkläranlagen genutzt und weiterentwickelt.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wurde gefördert von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt und dem European Regional Development Fund (Projekt-Nr. 1804/00073).

 

News

Projekt IDA 4.0 gestartet

Literatur

  • UNEP (2022): Freshwater Strategic Priorities 2022–2025
  • Schnase, Carina (2021): Untersuchung der Möglichkeiten zur Sicherstellung der Rohwassergewinnung für das Wasserwerk Köthen Süd. Bachelorarbeit Hochschule Merseburg
  • Severin, Julia (2020): Charakterisierung einer SBR-Kleinkläranlage mit erweiterter Oxidation hinsichtlich des Spurenstoffabbaus und der Biofilmbildung. Bachelorarbeit Hochschule Merseburg
  • Nikolai, Johannes (2020): Weiterentwicklung einer pneumatischen Dosierstation für SBR-Kleinkläranlagen unter besonderer Betrachtung der chemischen PhosphatElimination. Bachelorarbeit Hochschule Merseburg
  • Nikolai, Johannes (2022): Entwicklung eines Einbaumoduls für eine transportoptimierte Kleinkläranlage in einem zweiteiligen Behältersystem. Masterarbeit Hochschule Merseburg

 

Kontakt

 

Kontaktperson
Prof. Dr. Valentin Cepus
Professur für Chemie / Instrumentelle und Kunststoffanalytik
Raum: Hg/D/2/08
Kontaktperson
Prof. Dr. Klaus-Vitold Jenderka
Professur für Physik, Sensorik und Ultraschalltechnik
Raum: Hg/C/0/08
Kontaktperson
Prof. Dr. Hilke Würdemann
Professur für Umwelttechnik/Wasser- und Recyclingtechnik
Raum: Hg/D/0/10
Telefon: +49 3461 46-2019
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