Als Judith an Leukämie erkrankt, wird Nancy in der Stammzellendatenbank als passende Spenderin ausgewählt. Die junge Frau überlebt. Erst Jahre später erfahren die beiden: Sie wohnen nur drei Kilometer voneinander entfernt – in Merseburg! Judith und Nancy werden erst Freundinnen und dann Kommilitoninnen an unserer Hochschule. Eine Geschichte, wie sie das Leben nur selten schreibt.
„Wo kommen nur diese ganzen blauen Flecken her?“ Den Gedanken, dass irgendetwas ernsthaft nicht stimmen könnte, schiebt Judith erst einmal schnell wieder weg. Es ist 2011. Das Leben könnte eigentlich gerade nicht perfekter sein. Judith hat den Abschluss ihrer Krankenschwesternausbildung endlich in der Tasche. Mehr Freiheit. Mehr Verantwortung. Darauf freut sie sich schon.
Doch dann passiert die Sache mit dem Fuß. Judith verletzt sich. Und die Wunde will einfach nicht heilen. Irgendwann ist es so schlimm, dass sie ins Krankenhaus muss. Wenige Tage später liegt sie im Koma.
Fast ein Jahr dauert es, bis Judith sich wieder erholt. Dann steht eigentlich nur noch eine Abschlussuntersuchung an. Doch die junge Frau ahnt es bereits: Mit ihrem Blut ist etwas nicht in Ordnung. Durch die schwere Blutvergiftung fiel das bloß nicht auf. Die Untersuchung zeigt: Judith hat Akute Leukämie.
Wenig später erhält Nancy eine Nachricht von der Stammzellendatenbank. Sie kommt als Spenderin in Frage. Wem genau sie helfen darf, erfährt sie nicht. Nancy ist überrascht, freut sich, hat aber auch ein bisschen Angst. Was erwartet sie jetzt?
Zum Glück läuft dann alles viel unkomplizierter als gedacht. Bei der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSD) in Dessau werden Nancy Stammzellen entnommen. Das fühlt sich fast wie Blutspenden an, nur dass das Blut am andern Arm wieder zurück in ihren Körper gelangt.
Schwieriger ist der Prozess für Judith. Sie bekommt konditionierende Chemotherapien und wird isoliert. Diese sind notwendig, um das blutbildende System der Erkrankten zu zerstören, damit der Körper die Spende annehmen kann Jede kleinste Erkältung könnte für sie jetzt den Tod bedeuten. Als die Abwehr ihres blutbildenden Systems schließlich bei Null ist, erhält Judith die lebensrettenden Stammzellen.
Für Nancy kehrt wieder Alltag ein. Judith muss weiterkämpfen. Nach einem Jahr ist der Krebs wieder da und eine zweite Spende von einem anderen Spender wird nötig. Dann kommt die Kraft langsam zurück und eine Nachricht vom Krankenhaus: Judith und Nancy dürfen sich jetzt Briefe schreiben. Anonym jedoch. Und das Personal liest mit. Konflikte zwischen Spender und Empfänger, die einer zukünftigen Spende im Wege stehen könnten, möchte man so vermeiden.
Schnell merken Nancy und Judith, die Chemie stimmt zwischen ihnen. Sie werden Brieffreundinnen und geben sich gegenseitig Kraft. Dann kommt der Tag, den beide nie vergessen werden:
Wieder ist ein Brief aus dem Krankenhaus da. Judith erhält Nancys Adresse! Die beiden können sich nun endlich richtig kennenlernen. Doch Judith traut ihren Augen nicht. Ist das vielleicht ein Fehler? Deshalb haben die Ärzte immer von einem „Heimspiel“ gesprochen: Nancy wohnt nur ein paar Straßen weiter – genau wie Judith in Merseburg!
Sie schreibt eine Nachricht: „Hey Nancy, ich sitze hier gerade bei einem Kaffee in Merseburg.“ Nancy kann es kaum glauben. „Überwältigend. Unbeschreiblich. Ein Schauer!“ Noch heute fällt es ihr schwer, die passenden Worte zu finden.
Judith und Nancy werden unzertrennlich. Jahre später fängt Judith ein Studium an der Hochschule Merseburg an – eine neue Herausforderung im nicht so leichten Alltag nach so einer schweren Krankheit! Dann ermutigt sie auch Nancy, ein Studium anzufangen. – Als alleinerziehende Mama ebenfalls nicht einfach.
Heute haben es beide trotzdem geschafft. Judith ist mit dem Bachelor fertig. Nancy steht kurz davor. Zwei von über 3.000 Hochschulangehörigen, denen man ihr ganz persönliches Päckchen nicht ansehen kann. „Die Kaffeebar hat uns am Leben gehalten“, lachen Judith und Nancy, bevor sie wieder in den Fluren der Hochschule Merseburg verschwinden.
Text & Foto: Anne Schwerin
Sie möchten auch Leben retten? Dann registrieren Sie sich bitte bei der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSD) oder der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) www.dkms.de
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