Recycling

Saubere Umwelt durch chemisches Recycling?
Professor Seitz forscht nach Lösungen und zeigt wie es geht

Das Wirtschaftssystem ist weltweit größtenteils linear aufgebaut. Natürliche Ressourcen werden in der Linearwirtschaft („Wegwerfwirtschaft“) zumeist abgebaut, für die Herstellung von Produkten verwendet und nach kurzzeitigem Gebrauch als Abfallprodukt entsorgt. Diese Vorgehensweise steht im Widerspruch zum Gedanken der Nachhaltigkeit und dem ressourcenschonenden Umgang mit Produkten.

Um zukünftig nachhaltig zu produzieren, müssen einerseits bereits beim Herstellungsprozess von Gütern der Einsatz von Schadstoffen und der Gebrauch von Material minimiert werden. Andererseits ist es genauso wichtig, bei der Abfallbeseitigung innovative, umweltverträgliche und ressourcenschonende Wege zu gehen.

Abfälle – Kunststoffe, Glas, Metalle, Papier – entstehen nicht nur in der Industrie, sondern auch in Privathaushalten im großen Ausmaß und werden durch ihre schiere Masse zu einem immer größer werdenden globalen Problem.

 

Mit Kreislaufwirtschaft zu einer sauberen Umwelt?

Das Gegenteil von Linearwirtschaft ist die zukunftsweisende zirkuläre Wirtschaftsweise, auch Kreislaufwirtschaft. Eine möglichst effiziente und vollständige Kreislaufwirtschaft muss bei allen Rohstoffen, nicht zuletzt auch bei Kunststoffen, erklärtes Ziel sein. Die Transformation kann aber nur gelingen, wenn Produkte langlebig und reparierbar gestaltet, die Energieverschwendung und Emissionen minimiert sowie Abfälle als Ausgangsmaterial, also Rohstoffe, für neue Güter genutzt werden.

Da Abfälle und Abfallprodukte unvermeidbar sind, kommt dem Recycling eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Um sich diesem Problem in Bezug auf Kunststoffe zu stellen und dem entgegenzuwirken, forscht Mathias Seitz, Professor für Verfahrenstechnik/Technische Reaktionsführung, an der Hochschule Merseburg u.a. zum Thema Recycling von Plastikabfällen.

 

Zwei Forschungsschwerpunkte

Als Hochschule Merseburg stellen wir uns in Theorie und Praxis die Frage, wie Prozesse und Technologien aussehen müssen, um nicht nur Innovationen hervorzubringen, sondern im Interesse künftiger Generationen auch möglichst nachhaltig zu sein.

Um der Frage auf den Grund zu gehen, wurden u.a. zwei interdisziplinär arbeitende Forschungsschwerpunkte geschaffen – „Nachhaltige Prozesse“ und „Digitaler Wandel“.

Der Dreiklang von Umwelt, Technik und Chemie wird an der Hochschule Merseburg großgeschrieben. Die Bachelor- und Masterstudiengänge des Fachbereiches Ingenieur- und Naturwissenschaften tragen dazu bei, zukünftige Generationen hervorragend auszubilden und für eine nachhaltige Welt von morgen heute den Grundstein zu legen. Denn nachhaltiges Leben und Wirtschaften geht nicht ohne ingenieurtechnisches Know-how.

Interesse geweckt? Zu Orientierungsveranstaltungen und Studieninformationen zu Umwelt, Technik und Chemie geht es hier.

 

Von den Erkenntnissen aus der Praxis und dem Erfahrungsschatz der Lehrenden profitieren auch die Studierenden

Von dem theoretischen Wissen, den Erkenntnissen aus der Praxis und dem Erfahrungsschatz der Lehrenden profitieren auch die Studierenden in Merseburg. Denn das Know-how fließt in die Lehre ein und kommt mittels Praktika, Kooperationen mit Unternehmen und Projekten auch in der Praxis zur Anwendung. Dadurch sind die Studierenden in der Lage, die Welt von morgen aktiv mitzugestalten und werden für den Arbeitsmarkt der Zukunft fit gemacht.

Prof. Dr. Mathias Seitz

Im Drehrohrofen (bzw. Drehrohrreaktor), werden die Kunststoffe in ihre chemischen Bausteine zerlegt - entweder rein thermisch oder katalytisch unterstützt.

Kunststoffrecycling

Ansätze für ein effizienteres Kunststoffrecycling sind bereits beschlossen: In Deutschland fordert das Verpackungsgesetz eine Recyclingquote von 58,5 Prozent bei Kunststoffverpackungen, ab 2022 sogar von 63 Prozent. Dennoch wird gegenwärtig noch immer mehr als die Hälfte aller gesammelten Kunststoffabfälle energetisch verwertet, also verbrannt. Neben der energetischen Verwertung von Kunststoffen erfolgt das Recycling hauptsächlich mittels mechanischer Verfahren, auch werkstoffliches Recycling genannt. Dabei werden die Kunststoffabfälle nach Kunststoffarten sortiert, gewaschen, eingeschmolzen und zu sogenannten Rezyklaten aufbereitet. Diese dienen dann als Ausgangsstoff für neue Produkte. In Deutschland werden so lediglich 12% der Kunststoffabfälle aus dem Postconsumerbereich wieder als Kunststoff verwendet. Ursache für die niedrige Recyclingquote sind sehr viele Verunreinigungen und die Komplexität der Kunststoffprodukte.

 

In den Kunststoffabfällen findet man ein vielfältiges Stoffgemisch. "600 Chemikalien in einem Joghurtbecher sind irre", so der Chemiker Michael Braungart (https://www.spiegel.de/video/cradle-to-cradle-michael-braungart-ueber-plastik-video-99019961.html). Dazu gehören u.a. Weichmacher, Füllstoffe, Flammschutzmittel, Alterungsschutz, Härter, Farbmittel, Gleitmittel, Kleber, Etiketten, PVDC und PA-Barriereschichten. Eine Wiederverwendung dieser Kunststoffe, z.B. für die Verpackung von Lebensmitteln, ist verboten. Lediglich beim PET-Flaschenrecycling, wo die Abfälle sortenrein gesammelt werden, funktioniert das werkstoffliche Recycling auch in Lebensmittelqualität sehr gut. Alles, was nicht gut werkstofflich genutzt werden kann, endet als Ersatzbrennstoff oder landet direkt in der Verbrennung, wobei Kohlendioxid freigesetzt wird.

Thermisch-chemische Verfahren stellen neben der werkstofflichen und energetischen Nutzung eine dritte Option dar. Beim sogenannten chemischen Recycling stören Verunreinigungen wie Farben, Lacke, Compounds aus verschiedenen Kunststoffen usw. deutlich weniger. Ziel aller Verfahren ist es, Kunststoffe in chemische Bausteine zu zerlegen, die dann wieder als Rohstoffe dienen können.

Weil durch das klassische Recycling eine Vielzahl von Abfallfraktionen aufgrund ihrer Zusammensetzung oder schädlicher Komponenten kaum recycelt werden und die Forderung nach höheren Recyclingquoten nicht erfüllt werden können, erfährt das chemische Recycling von Kunststoffabfällen derzeit eine Renaissance.

Entscheidend für den Erfolg wird sein, wie robust diese Verfahren mit stark verschmutzten Kunststoffabfällen zurechtkommen.

 

Zick-Zack-Sichter, eine Form des Schwerkraftsichters, in dem das Aufgabegut (hier Kunststoffschnipsel) durch die unterschiedliche Sinkgeschwindigkeit der Partikel in eine Leicht- und eine Schwerfraktion getrennt werden.

Was passiert beim chemischen Recycling?

Beim chemischen Recycling werden die Kunststoffabfälle chemisch gespalten. Man erhält ein Gemisch aus Monomeren oder Ölen, das dann sehr gut aufgereinigt und von den Schadstoffen befreit werden kann. Am Ende des Prozesses entstehen wieder Kunststoffe oder andere chemische Produkte als Neuware, also Stoffe in originaler Qualität, sodass auch Lebensmittel wieder in Kontakt mit diesen Kunststoffprodukten gelangen können. In den letzten zwanzig Jahren war das chemische Recycling vor allem auf Nischenanwendungen begrenzt. Gründe sind, dass Ende der 90er Jahre entwickelte Verfahren zu teuer und der Erdölpreis zu niedrig war.

Durch eine an der Hochschule entwickelte Methode zur katalytischen Spaltung von polyolefinreichen Abfällen lassen sich aus den Polyolefinen genau die Ausgangsstoffe wiederherstellen (Monomere), die für die erneute Polymerisation verwendet werden können. So ein Verfahren kann z.B. an einen Cracker, wie er in Böhlen (Landkreis Leipzig,) steht, angekoppelt werden.

Prof. Dr. Mathias Seitz hat das Problem erkannt und sich auf die Suche nach Lösungen begeben. An der Hochschule Merseburg lehrt er unter anderem im Studiengang Green Engineering und integriert die Prozesse des Kunststoffrecyclings aus der Praxis auch in die Lehre.

Um Grundlagen für die Bewertung von Verfahren für das chemische Recycling zu schaffen und der Kreislaufwirtschaft auch bei Kunststoffen näher zu kommen, wirkt Prof. Seitz darüber hinaus an Studien mit. Unter anderem hat er federführend an einer Studie für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gearbeitet. Eines der wesentlichen Ergebnisse ist, dass auch für ein effizientes chemisches Recycling die Reinheit der Abfälle ausschlaggebend ist. Gute Regeln für das Produktdesign und Steigerung der Rezyklierbarkeit führen auch bei chemischen Verfahren zu weniger Problemen und besseren Produktqualitäten. Mehr über die Ziele und die Ergebnisse der Studie sowie die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für ein effizienteres Recycling von Kunststoffabfällen können Sie unter folgendem Link: www.dbu.de/projekt_34351/01_db_2848.html einsehen.

Am Umgang mit Plastikabfällen muss sich also grundlegend etwas ändern, um tatsächlich hohe Recyclingquoten zu erreichen.

 

Was verdeutlicht die Studie?

Um die Recyclingquote zu erhöhen, sollte u.a. auf ein recyclinggerechtes Produktdesign Wert gelegt werden und auf eine bessere Sortierung von Plastik geachtet werden. Das Produktdesign muss so gestaltet sein, dass eine bestmögliche Nachverwertung erfolgen kann. Dazu gehören die Auswahl der Materialien, die Größe der Teile und die Demontierbarkeit. Verpackungen sollten mehrweg- und recyclingfähig sein und Rezyklate enthalten. Auf unnötige Materialien und Materialkombinationen sowie Additive sollte verzichtet werden.

Um hohe Rezyklatqualitäten in größeren Mengen zu erzielen, können sortenreine Sammelsysteme (PET-Flaschen) oder aufwändige Sortier- und Reinigungssysteme angewendet werden. Damit können auf mechanischem Weg hochwertigere Regranulate, Mahlgut und Agglomerate für Neuware hergestellt werden. Ein Instrument zur Erhöhung der Sortenreinheit ist auch der Ausbau von Pfandsystemen. Das zeigen vorbildhaft die etablierten Pfandsysteme bei PET-Getränkeverpackungen. Die Ergebnisse der regiona­len Einführung sogenannter Wertstofftonnen zeigen, dass dadurch die Recyclingquote erhöht und eine bessere Mülltrennung durchgesetzt werden kann.

 

Folgende Empfehlungen können anhand der Ergebnisse ausgesprochen werden 

In einer klimafreundlichen Wirtschaft nimmt das chemische Recycling und da­mit auch die Depolymerisation von Polyolefinen eine Schlüsselstellung ein. Die Ent­wicklung von Depolymerisationsverfahren ist deshalb zu begrüßen.

Damit die Depolymerisation von Polyolefinen als Verfahren des chemischen Re­cyclings neben dem mechanischen Recycling optimal genutzt und betrieben wer­den kann, sollte u.a.:

  • Der aktuelle Trend, Depolymerisationstechnologien zu entwickeln, nicht behin­dert werden.
  • Die Verfügbarkeit möglichst reiner Kunststoffabfallströme zur Effizienzstei­gerung gewährleistet werden. Damit wird sowohl beim mechanischen als auch beim che­mischen Recycling der Aufwand zur Aufarbeitung der Ein­satzstoffe und der Produkte reduziert. Die aus der Kunststoffstrategie er­arbeiteten Ziele und Maßnahmen auf unterschiedlichen EU-Ebenen, wie das verstärkte Sammeln sortenreiner Abfallkunststoffe, ein recyclingge­rechtes Pro­duktdesign und eine bessere Sortierung sind demzufolge zu begrüßen.

Um die mit chemischen Recyclingverfahren verbundenen Möglichkeiten und Vorteile weiter zu untersuchen, arbeitet Prof. Seitz aktuell an einer Studie für das Umweltbundesamt mit. Ziel der Studie ist es, mehr über die unterschiedlichen Technologien des chemischen Recyclings zu erfahren und diese zu bewerten.

 

Kontaktperson
Prof. Dr. Mathias Seitz
Professur für Verfahrenstechnik/Technische Reaktionsführung
Raum: Hg/D/2/10
Telefon: +49 3461 46-2104
Nach oben