Die Zukunft ist gedruckt: Wie 3D-Druck unsere Welt verändert
Der 3D-Druck ist eine umfassende Bezeichnung für alle Fertigungsverfahren, bei denen Material Schicht für Schicht aufgetragen und so dreidimensionale Gegenstände (Werkstücke) erzeugt werden. An der Hochschule Merseburg ist das Zentrum für Additive Fertigung (ZAF) Anlaufpunkt für alle Anliegen rund um das Thema 3D-Druck, und es hält die Technik und Expertise vor, um Aufträge umzusetzen und gleichzeitig Studierende an verschiedenen 3D-Drucktechnologien zu schulen und auszubilden. Um mehr über das Thema 3D-Druck insgesamt zu erfahren und die mit dem ZAF verbundenen Möglichkeiten an der Hochschule Merseburg in Erfahrung zu bringen, habe ich mit Dr. Marco Götze, Lehrkraft für besondere Aufgaben Additive Fertigung | 3D Druck, gesprochen.
Herr Dr. Götze, das Thema 3D-Druck und die damit verbundenen Möglichkeiten und Chancen sind in aller Munde. Was ist aber 3D-Druck eigentlich und wie funktioniert das Verfahren?
Hinter dem Begriff 3D-Druck verbergen sich eine Vielzahl verschiedener Fertigungsverfahren, die alle gemeinsam haben, dass sie Schicht für Schicht Bauteile herstellen. Das herzustellende Objekt wird dabei in sehr dünne Schichten aufgeteilt, die dann nachein- ander aufgetragen werden. Es wird also im Gegensatz zu vielen anderen Fertigungstechnologien kein Material von einem Ausgangsmaterial abgetragen, sondern auf getragen. Deshalb werden die 3D-Druckverfahren auch als additive Fertigungsverfahren bezeichnet.
Was macht das Thema 3D-Druck für Sie so einzigartig?
Die 3D-Drucktechnologien sind noch recht junge Fertigungstechnologien. Vor etwa 40 Jahren wurden die ersten entwickelt, und nahezu täglich gibt es neue Entwicklungen, neue Materialien oder Anwendungsgebiete für den 3D-Druck. Das ist aus Sicht eines Dozenten sehr herausfordernd und spannend. Der 3D-Druck kann für verschiedene Anwendungsgebiete verwendet werden, von der Herstellung technischer Objekte bis hin zu Kunstobjekten aus verschiedenen Materialien, wie bspw. Kunststoff, Keramik oder Metall. Somit muss ich selten sagen, das können wir nicht herstellen – und das macht natürlich Spaß.
Welche Vorteile bietet der 3D-Druck im Vergleich zu herkömmlichen Fertigungsmethoden?
Durch den schichtweisen Aufbau kann ich nahezu jede geometrische Form herstellen, die ich mir vorstellen kann. Die Drucker benötigen dafür keine speziellen Werkzeuge wie bspw. Bohrer, Fräser oder Gussformen und können eine große Bandbreite ver schiedenster Materialien verarbeiten, wodurch die Verfahren generell sehr flexibel sind.
Gibt es spezifische Herausforderungen, denen man beim Einsatz von 3D-Drucktechnologien begegnet bzw. die noch bewältigt werden müssen?
Die 3D-Druckverfahren haben ihre Stärken bei kom plexen Bauteilen mit geringen Stückzahlen, sind aber vergleichsweise teuer. Bei größeren Stückzahlen sind die konventionellen Fertigungsverfahren hinsichtlich der Kosten weiterhin im Vorteil. Viele 3D-Druckverfahren sind mittlerweile in der Industrie etabliert bzw. auf einem vielversprechenden Weg dahin. Bei einigen Verfahren, die großes Potential besitzen, muss allerdings noch an der Reproduzierbarkeit der Bauteileigenschaften gearbeitet werden, um die hergestellten Bauteile auch in den Umlauf zu bringen. Auch im Bereich des Bioprinting, also der Herstellung künst licher Gewebe für die regenerative Medizin, liegt sehr viel Potenzial, aber auch noch sehr viel Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
Welche Anwendungsbereiche gibt es für 3D-Drucker und was kann mittels 3D-Druckern hergestellt werden?
Die 3D-Drucktechnologien sind mittlerweile in nahezu allen Bereichen zu finden, ob in der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie, dem produzierenden Gewerbe, dem medizinischen Bereich, bei Architektur und Bauwesen oder im künstlerischen Bereich. Auch hinsichtlich der Materialien gibt es kaum Einschränkungen, abhängig von der 3D-Drucktechnologie kann fast alles eingesetzt werden – vom Metall bis zu altem Kaffeepulver.
Ist additive Fertigung nachhaltig?
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Prinzipiell sind alle 3D-Druckverfahren sehr materialeffizient, d. h. es wird im Gegensatz zu abtragenden Verfahren, wie bspw. Drehen, Fräsen etc., nur das Material verbraucht, was für das Bauteil benötigt wird. Das ist besonders beim Einsatz teurer oder seltener Materialien von Vorteil. Durch die Geometriefreiheit und den schicht weisen Herstellungsansatz ist es möglich, Leichtbau strukturen oder Bauteile mit geschlossenen Oberflächen und hochporöser Füllung zu erzeugen. Ein Vorbild wäre da bspw. die Knochenstruktur, die leicht, extrem belastbar ist, aber gleichzeitig eine große Porosität im Inneren aufweist. Diese Leichtbaukonzepte eignen sich damit hervorragend zur Reduzierung des Energiebedarfs im Automobilbereich oder in der Luft- und Raumfahrt. Wie in allen technischen Anwendungen hängt die Nachhaltigkeit von den eingesetzten Materialien ab, deren Herstellung vielleicht nicht immer nachhaltig ist, aber deren Eigenschaften für technische Anwendungen essenziell sind. Durch den 3D-Druck können diese notwendigen Materialien aber effektiver verwendet werden.
Wie kann ich mir den Entstehungsprozess eines im 3D-Drucker entstandenen Gegenstandes vorstellen?
Zunächst einmal wird ein digitales 3D-Modell des Gegenstandes benötigt, den ich herstellen möchte. Das ist die Grundbedingung bei allen 3D-Druckverfahren. Es können aber bspw. auch reale Objekte durch 3D-Scanning in digitale Objekte überführt werden. Dieses Modell wird durch spezielle Softwareprogramme in die einzelnen Schichten zerlegt und in Bewegungsbefehle der einzelnen Drucker umgewandelt. Sobald das passende Material im Drucker geladen wurde, geht’s dann auch schon los und das Bauteil wird her gestellt. Zum Schluss wird das Bauteil entnommen und nachbearbeitet. Je nach Verfahren ist der Nachbearbeitungsaufwand dabei unterschiedlich hoch.
Was zeichnet den 3D-Druck an unserer Hochschule aus?
Als HAW mit starkem praktischem Bezug versuche ich, den Studierenden die meisten der relevanten 3D-Drucktechnologien auch praxisnah anhand der ent sprechenden Drucker nahezubringen. Dadurch erleben sie hautnah die Vor- und Nachteile der Technologien. Als Hochschule mit einem starken Bezug zur Kunst stofftechnik haben wir viele Drucker für verschiedene Arten von Kunststoffen, aber auch für metallische Bau teile. Wir verstehen uns als Anlaufpunkt für die ganze Hochschule – egal ob Studierende oder Mitarbeiter. Jeder kann zu uns kommen, und wir versuchen, allen die Technik näherzubringen und die jeweiligen Ideen und Projekte umzusetzen – vom studentischen Projekt über Forschungs- und Ausgründungsideen oder auch Ersatzteile. Wir haben häufig Lösungsvorschläge und können entsprechende Prototypen oder Bauteile herstellen.
Was können unsere Drucker bzw. was können wir an der HoMe mit den verschiedenen Druckern herstellen?
Schwerpunktmäßig verfügen wir über eine große Bandbreite an polymerbasierten Druckern, d. h. wir können nahezu alle thermoplastischen Kunststoffe am Markt verarbeiten. Aber auch elastische oder duro plastische Materialien sind verfügbar. Dabei können die Bauteile eine Größe von wenigen Millimetern bis teilweise über einen Meter haben. Somit können bspw. auch Guss- oder Laminierformen hergestellt werden. Neben den Kunststoffen können wir auch Anschauungsmodelle aus Gips oder Cellulose herstellen. Seit Anfang des Jahres verfügen wir über unseren ersten Metalldrucker, der bspw. Bauteile aus Edelstahl herstellen kann. Je nach Problem können wir somit verschiedene Lösungswege anbieten.
Wie wird das Thema 3D-Druck in unsere Lehrpläne integriert? Können Sie Beispiele für Lehrveranstal tungen oder Projekte nennen, die sich mit 3D-Druck beschäftigen?
Derzeit gibt es zwei Module zum Thema 3D-Druck bzw. additive Fertigung. Ich lehre im Masterstudiengang Maschinenbau das Modul Additive Fertigung, in dem wir intensiv auf die verschiedenen Verfahren eingehen und auch einen umfangreichen Praxisteil inklusive Projektaufgabe durchlaufen. Im Bachelormodul Polymerbasierter 3D-Druck beschäftigen wir uns eher mit den kunststoffbasierten Verfahren sowie deren Eigenschaften. Das Modul ist ein Wahlmodul und somit offen für die meisten Studierenden. Daneben gibt es im Fachbereich INW, aber auch im Fachbereich SMK Projekt- bzw. Produktentwicklungsmodule von anderen Kolleginnen und Kollegen, in denen wir bei der Erstellung von Prototypen oder Objekten unterstützen.
Mit welchen Partnern arbeiten wir zusammen, um unsere Aktivitäten voranzutreiben?
Wir sind seit vielen Jahren im Mitteldeutschen Netz werk Rapid Prototyping – enficos aktiv, in dem sich viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Mitteldeutschland engagieren. Aus diesem Netzwerk ist das jährlich stattfindende Mitteldeutsche Forum 3D-Druck in der Anwendung entstanden, welches jähr lich zwischen den Hochschulen aus Merseburg, Leipzig, Mittweida und Jena wechselt und dieses Jahr am 16. Oktober bei uns an der HoMe stattfindet. Aber auch das seit November letzten Jahres begonnene RUBIN Projekt AddiQ ist aus diesem Netzwerk entstanden. Bei AddiQ sind 16 Unternehmen und Forschungsein richtungen beteiligt, die in fünf Teilvorhaben in den nächsten drei Jahren bestimmte 3D-Druckverfahren mit großem Potenzial weiterentwickeln wollen, sodass diese auch für neuartige Produkte oder Dienstleistungen genutzt werden können. Die Hochschule Merseburg ist am größten der Teilprojekte mit drei Unternehmen und der TH Brandenburg beteiligt. Daneben kooperieren wir mit verschiedenen regionalen Partnern aus Unter nehmen, Vereinen oder Kommunen.
Welche Chancen sehen Sie im Bereich des 3D-Drucks für die Industrie, die Forschung und die Gesellschaft insgesamt?
In der Industrie ist der 3D-Druck durchaus schon angekommen bzw. auf einem guten Weg, ein fester Bestandteil des Fertigungsportfolios zu werden. Aufgrund der großen Flexibilität und der vielen Vorteile bei komplexen Bauteilen sind die 3D-Druckverfahren für die meisten Unternehmen in allen Bereich eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Fertigungs technologien. Im Bereich der Forschung finde ich die Potenziale im Bioprinting, also der Herstellung künstlicher Organe und Gewebe, besonders spannend. In diesem Bereich ist in sehr kurzer Zeit viel passiert, und ich bin sehr gespannt, wann das erste Organ gedruckt wird. Von Jahr zu Jahr stelle ich fest, dass immer mehr Studierende eigene 3D-Drucker besitzen und auch in Schulen die ersten Kontakte mit dieser Technologie entstehen. Wir selbst bieten häufig entsprechende Ver anstaltungen für Schülerinnen und Schüler jeden Alters an. Dies führt sie bereits in jungen Jahren an Technik heran und veranschaulicht ihnen, wie einfach man seine eigenen Ideen in reale Objekte umsetzen kann. In Zukunft werden auch 3D-gedruckte Häuser oder Brücken keine Seltenheit sein und sich als Ergänzung zu konventionellen Herstellungsverfahren etablieren. Insgesamt werden die 3D-Drucktechnologien in immer neuen Anwendungsgebieten eingesetzt und modifiziert. Zudem gibt es kaum noch Materialien, die nicht mittels 3D-Druck verarbeitet werden können.