30 Jahre Hochschule Merseburg: Alumnus der ersten Stunde berichtet
Steven Kanzler - Alumnus der ersten Stunde - berichtet über sein Studium und welche Erinnerungen an seine Studienzeit hängen geblieben sind.
Steven Kanzler hat von 2002 bis 2007 an der Hochschule Merseburg im Studiengang Physikalische Technik und Informationsverarbeitung studiert. Heute lebt und arbeitet er im Bundesstaat Michigan, USA. Beruflich ist er als Abteilungsleiter im Bereich Algorithmenentwicklung für Fahrerassistenzsysteme bei ZF Friedrichshafen tätig.
Steven Kanzler (vorne) mit Freunden unterwegs. Fotos: privat
Herr Kanzler, Sie haben 2002 angefangen, an der Hochschule Merseburg zu studieren.
Wie war das Studium Anfang der 00er Jahre?
In unserem Studiengang (wir waren zu sechzehnt) war es sehr intim. Bei so einer kleinen Truppe kannten wir uns schnell untereinander. Auch das Verhältnis zu den Professorinnen und Professoren war vorbildlich und die Betreuung engmaschig und einfach gut.
Was hat damals den Ausschlag für ein Studium in Merseburg gegeben?
Der Studiengang und die Lage der Hochschule. Als Hallenser war es nah genug, um nicht umziehen zu müssen und die Verbindung meiner beiden Steckenpferde der Schulzeit, Physik und Informatik, in einem Angewandten Studiengang war für mich rückblickend ein Volltreffer.
Welche besondere Erinnerung verbinden Sie mit ihrer Studienzeit an der Hochschule Merseburg?
- Woran denken Sie gerne zurück? Natürlich an die Partys. Die 100h Reaktorparty war legendär! Die Studienfahrt nach Riga hat auch viele bleibende Eindrücke und Erinnerungen hinterlassen.
- Was ist von der Hochschule Merseburg in Erinnerung geblieben? Es war viel Arbeit. Über 35 Wochenstunden, zusätzlich Hausaufgaben und Labore vor- und nachbereiten, nebenbei als Hiwi jobben und büffeln, büffeln, büffeln.
- Die Hochschule Merseburg ist für mich … ? Heimat und ein Sprungbrett in meine Zukunft.
Würden Sie sich heute noch einmal für den gleichen Studiengang entscheiden?
Vermutlich würde ich heutzutage etwas in Richtung Künstliche Intelligenz studieren.
Steven Kanzler (5.v.l.) mit Kommilitonen vor dem Forschungsgebäude
Wohin hat Sie das Leben nach dem Studium verschlagen?
Direkt nach dem Studium habe ich als Algorithmenentwickler für Fahrerassistenzsysteme bei Siemens VDO in Lindau am Bodensee angefangen. Dieser Teil wurde dann an Continental verkauft, und 5 Jahre später (2013) habe ich die Gelegenheit genutzt, mit Frau und Kindern nach Detroit, Michigan, zu ziehen. Vor 5 Jahren habe ich dann den Arbeitgeber gewechselt und arbeite jetzt für ZF Friedrichshafen, bin aber vor Ort in den USA geblieben.
Wie ist es dazu gekommen? Michigan, ist ja nicht gerade um die Ecke?
Das habe ich 2 großen Förderern zu verdanken. Der erste ist Professor Eike Rosenfeld, unser Professor für Experimentalphysik und Ultraschallsensoren, der mir geholfen hat, meine Diplomarbeit in Illinois zu schreiben. Das Leben dort hat mir so gut gefallen, dass ich seitdem den Traum hatte, in den USA zu leben.
Meinen Traum zu verwirklichen und in den USA zu leben und zu arbeiten, hat mir dann ein guter Freund aus Michigan ermöglicht. Mit ihm hatte ich schon bei Siemens VDO und Continental eng zusammengearbeitet. Als er Abteilungsleiter wurde, habe ich ihn einfach gefragt, ob ich für ihn arbeiten könne. Und zusammen haben wir es dann geschafft, mich nach Detroit (genauer gesagt in den Vorort Auburn Hills) zu versetzen.
Rückkehr ausgeschlossen?
Vorerst ja. Wir haben kurz vor der Pandemie endlich unser Traumhaus gefunden, und wir können uns im Moment nicht vorstellen, in Deutschland zu leben. Man gewöhnt sich einfach an den Lebensstil, und wir haben im Netzwerk von vielen Rückkehrern gehört, wie schwer das wieder Zurückkehren und Ankommen ist. Unsere Kinder (10 und 14) sollen außerdem eine kontinuierliche Schullaufbahn haben, ein Umstieg ins deutsche Schulsystem wäre da eine erhebliche Hürde.
Was reizt Sie an Ihrem Beruf besonders und an welchen beruflichen Stellschrauben würden Sie hingegen gern noch drehen?
Es war mein Traum, am automatisierten Fahren mitzutüfteln, und ich liebe es, Probleme zu analysieren und mit Programmieren zu lösen. Worauf ich (und die ganze Industrie) seit 5 Jahren warte, ist der nächste dauerhafte Schritt in Richtung volle Autonomie.
Das war auch einer der Gründe, warum ich zu ZF gewechselt bin, weil dort der nächste Schritt geplant war und ich diesen mitgestalten wollte. Leider hat sich die Firmenleitung erst einmal auf andere Gebiete fokussiert, und Pandemie und Chipkrise waren dabei auch nicht hilfreich.
Was würden Sie unseren Studierenden im Allgemeinen gerne mit auf den Weg geben? Und was sind Ihre drei Tipps für unsere Studierenden?
Ich kann nur jedem empfehlen, sich so viel Praxiserfahrung zu holen, bis entweder der Traumjob gefunden ist oder das Studium bestanden. Und während der Zeit an der Hochschule ist es wichtig, enge Kontakte zu knüpfen - mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, Professorinnen und Professoren oder Industriekontakte. Vitamin B ist ungemein wichtig, um bestimmte Filter zu umgehen oder einfach Gelegenheiten aufzutun. Und, habt Spaß! Studiert nicht zum Selbstzweck, sondern zur Selbstverwirklichung!
Die Studienzeit ist die beste Zeit des Lebens …
aber die Zeit danach ist noch besser!
Was wünschen Sie der Hochschule Merseburg … ?
Dass weiterhin tolle und industrienahe Studiengänge gefunden werden und Lehrkräfte, die wie bei mir auch, begeistern können.