Alter: 42 Jahre
Studium: 2003 bis 2008, Diplomstudiengang Maschinenbau
Beruf: Head of Engineering
Unternehmen: Eastman in Leuna
Mein Weg nach Merseburg ...
Ich bin hier geboren, bin Merseburger und habe meine Heimatstadt nicht vor dem Studium verlassen. Für die Hochschule Merseburg habe ich mich entschieden, weil ich unabhängig von meinen Eltern sein wollte. Ich dachte, wenn ich hier vor Ort bleibe, dann habe ich die Möglichkeit weiterhin bei ihnen zu wohnen, um mich auf das Studium konzentrieren zu können. Im Laufe des Studiums habe ich mich nach einer alternativen Geldquelle umgesehen und bin von zu Hause ausgezogen, aber weiterhin in Merseburg geblieben. Für mich war das der einfachste Weg, nicht weit weg zu gehen und mich vollkommen auf das Studium zu konzentrieren. Das Studium sollte praxisnah sein. Verglichen mit Universitäten, an denen es doch recht theoretisch ist, hat mich besonders der Praxisanteil am Fachhochschulstudium gereizt.
Die Hochschule Merseburg ist für mich...
Wenn ich an die Hochschule Merseburg denke, dann das sie früher eine Hochburg für Verfahrenstechnik war. Schon mein Vater hat hier am Standort Merseburg Verfahrenstechnik studiert und immer davon geschwärmt. Das Steckenpferd der Hochschule sind für mich aber auch die anderen Ingenieurwissenschaften.
Mein beruflicher Werdegang …
Während meiner Jugend hatte ich ein lehrreiches Erlebnis. Während eines eintönigen Ferienjobs, in dem ich Lagerhallen fegen durfte, wurde mir klar, dass ich eine solche Tätigkeit als nicht erstrebenswert empfand und studieren wollte. Nicht an einer Universität, das war mir zu theoretisch, lieber an einer Fachhochschule, wie der in Merseburg. Ich entschied mich für ein Maschinenbaustudium, vermisste jedoch den Bezug zur Praxis. Positiv fand ich die Breite der Lehrthemen. Ein Highlight war mein Praktikum bei Airbus, das mir mein Professor Herr Merklinger als Ersatz für ein geplatztes Auslandspraktikum organisierte. Dafür bin ich ihm noch heute dankbar, da es den Weg für meine Diplomarbeit ebnete. Ich wollte unbedingt ins Ausland und absolvierte mein Diplom bei Ove Arup & Partner in Birmingham, was eine der besten Entscheidungen meines Lebens war. Nach meinem Abschluss 2008 begann ich in der Solarindustrie und baute bei der EverQ GmbH ein neues Werk für Solarmodule mit auf, was mir wertvolle Erfahrungen brachte.
2012 bin ich zu der John Brown Voest GmbH in Leipzig gewechselt und habe für ein knappes Jahr als Planungsingenieur für den Chemieanlagenbau gearbeitet.
2013 habe ich als Projektingenieur bei der Bayer Bitterfeld GmbH angefangen. Wenig später habe ich die Gruppenleitung für das Projekt Engineering übernommen und konnte mich an der Standardisierung des Projektmanagements ausprobieren. 2019 habe ich den Bereich Reliability übernommen. Dort ging es darum, die Verfügbarkeiten und die Zuverlässigkeit von Produktionsanlagen zu verbessern. Diese Tätigkeit erfüllte mich nach einiger Zeit nicht mehr und ich schaute mich nach einer neuen Herausforderung um.
2023 wurde ich bei Eastman in Leuna fündig und übernahm die Leitung der Engineering Abteilung. Eastman ist ein internationaler Konzern, eine Chemieproduktionsfirma. Am Standort Leuna werden zum Beispiel Amine und entsprechende Derivate hergestellt. Sie stellen für viele Produkte der chemischen, pharmazeutischen und landwirtschaftlichen Industrie grundlegende chemische Bausteine dar.
Als Leiter der Engineering-Abteilung bin ich für Prozess-Engineering, Prozesssicherheit und Investitionsprojekte verantwortlich. Mein Team optimiert Produktionsprozesse und verbessert die Prozesssicherheit. Wir setzen ein Projektportfolio-Management ein, um die richtigen Prioritäten bei Anlageninvestitionen zu setzen. Auch die vollständige und zunehmend digitalisierte Anlagendokumentation gehört zu meinen Aufgaben. Die Vielseitigkeit meiner Verantwortung macht die Aufgabe besonders spannend.
Als moderne Führungskraft sehe ich meine Hauptaufgabe in der Leitung meines Teams. Ich stelle sicher, dass mein Team alle notwendigen Werkzeuge und Ressourcen hat, um erfolgreich zu arbeiten. Diese Führungsfähigkeiten habe ich mir im Berufsleben angeeignet, da sie im Ingenieurstudium kaum vermittelt wurden. Mein Team besteht aus internen und vielen externen Kollegen, da wir projektbedingt nicht immer mit eigenen Ressourcen arbeiten können. Außerdem biete ich Studierenden durch Werkstudententätigkeiten oder Abschlussarbeiten eine Plattform, um frischen Wind ins Team zu bringen und ihnen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern.
Herausforderungen und Anforderungen in meinem Berufsfeld….
Es ist wichtig, dass Studierende früh Praxisbezug erhalten. Je länger sie sich nur mit Theorie beschäftigen, desto schwieriger wird der Berufseinstieg. Mir fällt auf, dass Absolventen oft lange brauchen, um sich einzuarbeiten. Deshalb befürworte ich das duale Studium, da es Theorie und Praxis optimal verbindet und Absolventen schneller einsatzfähig macht. Hochschulen und Studierende sollten daher mehr Praxisbezug im Studium schaffen. Studierende sollten stets offen für Neues sein, denn Lernen endet nicht mit dem Studium, sondern beginnt dort erst richtig. Stillstand bedeutet Rückschritt, da die Welt sich ständig weiterentwickelt. Schon Herbert Grönemeyer hat dies gut formuliert: „Stillstand ist der Tod“, das gilt auch an dieser Stelle. Wer sich nicht weiterbildet, verliert langfristig an Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Themen wie Digitalisierung und die Einbindung von KI in den Arbeitsalltag zeigen deutlich, wie wichtig es ist, mit aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten. Als ich bei Eastman anfing, war die Digitalisierung gerade im Aufschwung, und KI war noch unbekannt. Weniger als ein Jahr später prüfen wir bereits den Einsatz von KI zur Effizienzsteigerung. Up-to-date zu bleiben ist zwar schwierig, aber unerlässlich, um langfristig erfolgreich zu sein.
Die Studienzeit ist die beste Zeit des Lebens…
Ich war ein strebsamer Student und wollte wegen der finanziellen Belastung ohne BAföG in der Regelstudienzeit fertig werden. Trotzdem habe ich das Studentenleben genossen, etwa im Studentenclub Reaktor donnerstags, auch wenn das freitags die Vorlesungen erschwerte. Die Gemeinschaft mit meinen Kommilitonen und die Erfahrungen aus meinen Praktika, etwa bei Airbus und meiner Diplomarbeit in England, haben mich persönlich wachsen lassen.
Meine Lieblingsorte auf dem Campus ...
Ich denke gern an das Gartenhaus zurück, damals bekannt als G-Punkt, 143 oder Studentenclub Wecker. Oft trafen wir uns vor den Hörsälen, besonders in der Prüfungszeit, um gemeinsam zu lernen. Auch die Zeit in der Mensa war prägend.
Meine Kontakte zu den Kommiliton*innen…
Ich habe noch ein paar lose Kontakte zu Kommilitonen. Es ist leider so, dass wir bisher kein Studientreffen zustande bekommen haben. Es haben die weiblichen Organisationstalente gefehlt, die sich drum gekümmert haben.
Mein Ratschlag an Studierende….
genießt die Studienzeit. Denn es ist, auch wenn das stressig ist, aus meiner Erfahrung eine sehr schöne Zeit. Nutzt die Angebote der Hochschule, denn so günstig kommt ihr nie wieder an Wissen. Aus meiner Sicht sollte man das Studium nicht als bloße Pflicht, sondern als wertvolle Chance betrachten und nutzen. Es bildet die Grundlage für das weitere Leben. Daher empfehle ich, das Studium aktiv zu nutzen und so viel Wissen wie möglich zu erwerben. Sucht euch Unternehmen, um noch während des Studiums den Praxisbezug herzustellen, zum Beispiel mit Werkstudententätigkeiten, duales Studium oder die Abschlussarbeit in einem Unternehmen schreiben. Aus meiner Sicht bringt das für die Studierenden die Möglichkeit mal in die Praxis reinzuschnuppern, den Arbeitsalltag kennenzulernen und für sich persönlich eine ganze Menge an Wissen und Erfahrungen mitzunehmen.
Kontakt zu Sebastian Jorde
Wir danken Sebastian Jorde für das Interview.