Als Isa Rötzsch im Sommer 2018 einen Kurzurlaub in Groningen machte, wusste sie nicht sonderlich viel über die Stadt, außer, dass es die Kulturhauptstadt der Niederlande ist und sie die Bilder, welche Google dazu ausspuckte, ganz ansprechend fand.
Nach 3 Tagen in der in der „Stadt die niemals schläft“ überkam sie der Wunsch hier nicht nur ihren Urlaub zu verbringen, sondern auch hier zu studieren. Es wimmelte nur so von jungen Menschen und die kleinen Gassen, Häuser, Cafés und Läden zogen sie förmlich in ihren Bann.
Im darauffolgenden Semester ging sie auf zu Prof. Dr. Kaehler zu, welcher der Ansprechpartner für Auslandsaufenthalte am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Informationswissenschaften ist, und fragte ihn, ob denn die Möglichkeit bestünde eine ERASMUS Partnerschaft mit den Niederlanden, vorzugsweise mit Groningen, zu organisieren. Und Prof. Dr. Kaehler machte es möglich.
Sie bewarb sich mit meinem englischen Leistungsnachweis und einer Kopie des Personalausweises bei der Hanze University of applied science und wurde sofort angenommen.
Erst nachdem sie die Zusage hatte, begann sie sich mehr mit der Stadt auseinanderzusetzen und begriff, dass es sich um eine wahre Studentenhochburg handelt, was zu einem Altersdurchschnitt von gerade mal 35 Jahren führt.
Wohnungssuche
Groningen hat gerade einmal 231.000 Einwohner, ist somit also in etwa so groß wie Halle, aber jährlich kommen rund 8.000 internationale Studierende in die Stadt. Einige bleiben, wie auch Isa, nur für ein Semester oder für ein Jahr, manche absolvieren hier aber auch ihr ganzes Studium. Dementsprechend schwer ist es, hier eine Wohnung bzw. ein Zimmer zu finden. Es gibt verschiedene Studentenwohnheime, in denen man ein Zimmer beziehen und sich Bad und Küche mit Mitbewohnern teilt. Teilweise wohnen aber auch zwei Personen in einem Raum und zahlen dennoch bis zu 500€ Miete pro Kopf. Es gibt aber auch Zimmer mit eigener Küche und Bad, die dann aber etwa 800€ pro Monat kosten – für viele Studierende ist das allerdings unbezahlbar.
Dennoch lebt ein Großteil der Studenten, die Isa getroffen hat, in diesen Wohnheimen, da es einfach sehr schwer ist ein WG Zimmer zu finden, welcher günstiger ist. Isa hatte aber Glück und hat über die Facebook Gruppe „Free Housing Announcements Groningen“ ein Zimmer zur Zwischenmiete für 450€ finden können. Hierfür hat sie allerdings auch im Vorfeld etwa 30 Personen angeschrieben und rund 10 Skype-Gespräche geführt, bevor sie Erfolg hatte.
Aufgrund der hohen Nachfrage und der Vielzahl an Studierenden ist es nicht selten, dass Studierende zu Beginn des Semesters in Zelten oder Hostels kampieren, bevor sie ein Zimmer vor Ort finden können. Deshalb gilt es hier, sich so früh wie möglich um eine Unterkunft für den Auslandsaufenthalt zu kümmern. Trotz einiger Hürden und dem hohen Aufwand, war Isa im Nachhinein sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung.
Auslandskrankenversicherung
Isa ist bei der AOK familienversichert und da sie sich weniger als ein halbes Jahr im Ausland aufgehalten hat, galt diese auch für ihr Auslandssemester. Dies ist jedoch von der Krankenkasse abhängig und nicht allgemeingültig. Kann aber ganz einfach mit einem kurzen Anruf bei der jeweiligen Kasse geklärt werden.
Anreise
Da Groningen mit dem Auto nur knapp sechs Stunden entfernt von Merseburg liegt und Isa gerne mobil unterwegs ist, ist sie mit ihrem eigenen Auto angereist. Das hat den Vor- und Nachteil, dass man viel mitnehmen kann. Das Parken in der Innenstadt ist sehr teuer, aber außerhalb des Zentrums, in den Wohngebieten, gibt es kostenfrei Plätze.
Viele Studierende reisen auch per Zug oder Flugzeug an. Mit dem Zug muss man meist in Leer (Ostfriesland) in den Bus nach Groningen umsteigen. Mit dem Flugzeug fliegt man bis Amsterdam und von dort aus kommt man in ca. zwei Stunden mit dem Zug nach Groningen.
Mobilität
Wie fast überall in den Niederlanden bewegt man sich auch in Groningen mit dem Fahrrad (fiets) von A nach B. Alles andere wäre in so einer kompakten Stadt auch sinnlos, da man nie länger als 30 Minuten braucht, um an sein Ziel zu gelangen. Der überwiegende Verkehr in der Stadt wird von Fahrradfahrern verursacht, entsprechend muss man wachsam sein, wenn man hier unterwegs ist. Sowohl als Fußgänger, Fahrradfahrer, Autofahrer oder Rollerfahrer.
Isa hatte Glück und konnte das Fahrrad ihrer Zwischenmieterin nutzen, weshalb ihr der Aufwand eines Fahrradkaufs erspart geblieben ist. Gerade am Anfang eines Semesters, wenn viele neue Studierende in die Stadt kommen, kann es schwer sein ein günstiges Fahrrad zu finden.
Eine geeignete Lösung, wenn man kein eigenes Fahrrad besitzt oder sich den Neukauf ersparen möchte, ist Swapfiets. Welche mittlerweile auch in Deutschland vertreten sind. Es handelt sich hierbei um eine Art Fahrradverleih, bei dem man als Student etwa 13€ im Monat für ein Fahrrad zahlt und wenn dieses kaputt geht, bekommt man spätestens am nächsten Tag ein neues. Voraussetzung für die Nutzung ist jedoch ein niederländisches Konto oder „einheimische“ Freunde, welche gewillt sind, einem hierbei auszuhelfen. Aber auch hier muss man sich sputen, da Fahrradverleihe teilweise lange Wartelisten haben. Also auch hier gilt wieder: zeitig kümmern und anmelden!
Hier noch einige Tipps, welche man beim Kauf eines Fahrrads und dessen Nutzung beachten sollte:
- Keine Fahrräder von Obdachlosen kaufen, die sind meistens geklaut und wenn die Polizei einen dann erwischt hat man mit Konsequenzen zu rechnen
- Ein günstiges Fahrrad mit teurem Schloss kaufen, am besten doppelt abschließen
- Auffällige Fahrräder werden seltener geklaut, also bunt ansprühen oder anderweitig kennzeichnen
- Das Fahrrad in der Nähe anderer Räder abstellen, einzeln stehende Fahrräder werden eher geklaut
- Kein Handy beim Fahren, das kostet 95€ Strafe und die Polizei steht regelmäßig an Knotenpunkten, wie dem Campus und zieht die Leute raus
- Jedes Rad braucht eine funktionierende Klingel und Licht (im Dunkeln)
- Nicht bei Rot über die Ampel, das wird teuer!
- Immer rechts halten, nicht mittig fahren, es wird links überholt
- Auch Mopeds nutzen die Radwege
- An einigen Kreuzungen haben alle Radfahrer gleichzeitig grün, das kann chaotisch werden. Eigentlich heißt es hier: wer von rechts kommt hat Vorfahrt, aber Isa hatte oftmals das Gefühl es gilt „wer bremst verliert“ – also immer schon Vorsicht walten lassen!
- Vor einigen Läden in der Innenstadt liegen rote Teppiche, Fahrräder dort nicht abstellen!
Aber dennoch sollte man sich nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, wie man sein Fahrrad absichert. Isa ihr Leih-Fahrrad stand 1,5 Monate vor der Haustür an einem Schild angeschlossen und wurde nicht geklaut. But: better save than sorry.
Wenn man mal nicht das Fahrrad nehmen möchte, besteht noch die Möglichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel. Hierfür gibt es die OV Chipkarte, die überall in den Niederlanden gültig ist. Die anonyme Karte kostet 7,50€, dafür spart man aber bei jedem Ticketkauf einen Euro, so viel kostet ein Ticket am Automaten. Die Karte bekommt man an Bahnhöfen und kann sie in Supermärkten oder an Automaten aufladen. Beim Ein- und Aussteigen muss man die Karte dann abscannen, wenn man das vergisst, kann es teuer werden. Für Busse in der Stadt braucht man ein Guthaben von min. 4€ und bei Zügen 20€. Aber so wirklich lohnt sich die Karte nur, wenn man viel unterwegs ist, ansonsten reicht ein Fahrrad vollkommen aus.
Für Städtetrips oder Ausflüge am Wochenende gibt es von verschiedenen Anbietern Aktionen, bei denen man rund 25€ für 2 Fahrten am Wochenende zahlt.
Freizeit
In Groningen gibt es das sogenannte ACLO Sportzentrum, was einen Standort am Bahnhof und einen direkt am Hanze Campus hat. Für etwa 60€ im Jahr kann man sämtliche Kurse unzählige Male besuchen und für weiter 60€ erhält man Zugang zum Fitnessstudio. Das Angebot reicht von Teamsportarten wie Volleyball, Fußball oder Hockey über Jumping Fitness, Bungee Super Fly oder The Floor is Lava, bis hin zu den klassischen Sachen wie Yoga, Body Pump oder Spinning.
Für Isa war es der richtige Ausgleich, sich vor allem in der stressigen Prüfungszeit mal so richtig zu körperlich zu verausgaben, um den Kopf freizubekommen. Ein weiterer Vorteil, den so ein Fitnessstudiobesuch bietet – die Kurse geben Gelegenheit neue Leute kennenzulernen.
Groningen verfügt über tolle Parks, in denen man im Sommer Sonne tanken kann und in den kälteren Jahreszeiten ausgiebige Winterspaziergänge machen kann. Auch der Wochenmarkt, der dienstags, freitags und samstags stattfindet, ist ein beliebtes Ziel zum Schlendern und wunderbar geeignet zum Einkaufen. Isa hat diesen genutzt, um all ihr Obst und Gemüse sowie frisches Bio-Brot zu kaufen. Die frischen Waren sind hier auf dem Markt auch um einiges günstiger als im Supermarkt und noch dazu unverpackt, also Stoffbeutel nicht vergessen.
Auch sonst hat Groningen eine tolle Auswahl an Läden und Cafés die dazu einladen zu verweilen oder sogar den Laptop mitzubringen und zu lernen.
Studieren
In Groningen gibt es eine staatliche Universität (Reichsuniversität Groningen- RUG) und eine Fachhochschule, die Hanze University of Applied Science. Isa hat ihr Auslandssemester auf der Fachhochschule verbracht. Diese bietet seinen Studierenden ein weites Feld an Studiengängen an. Isa hat die International Business School (IBS), eine der größten Fakultäten der Einrichtung, besucht. Hier hat sie passend zu ihrem Studiengang an der HoMe, BWL mit der Vertiefung Unternehmensführung den Minor Internation Management belegt.
Das Semester in den Niederlande wird immer durch zwei geteilt. So hat man also zwei Perioden pro Semester und jede Periode hat sieben Wochen Vorlesungszeit, zwei Wochen Prüfungszeit und zwischendurch 1-2 Wochen self-study-time (Ferien). Dementsprechend absolviert man nur etwa vier Module in der ersten Periode und weitere vier in der Zweiten und schreibt nicht am Ende des Semesters alle Prüfungen, wie bei uns in Deutschland üblich.
In ihrer Zeit vor Ort hat Isa drei schriftliche Klausuren absolviert, für jeweils nur 2 ECT. Die restlichen Noten sammelte sie durch Hausarbeiten, Gruppenarbeiten und verschiedene Präsentationen.
Die Gruppenarbeiten sollen die Studierenden auf das Berufsleben vorbereiten und sie lernen viel über Zeit- und Selbstmanagement. Ziel hierbei ist es auch, den Stoff tatsächlich anzuwenden und ihn nicht nur in wenigen Tagen auswendig zu lernen und nach der Klausur wieder zu vergessen.
Wer auch zu denen gehört, die am besten in einer Bibliothek lernen können,für den bietet Groningen mehrere Optionen. Die Hanze hat eine eigene Library mit Ruhebereich, aber da der Campus nicht zentral gelegen ist, gehe viele Studierende ins Forum. Das Forum ist sozusagen die Stadtbibliothek aber auch gleichzeitig Kino und Veranstaltungsort. Dementsprechend ist es hier manchmal sehr voll und man muss frühzeitig da sein, um einen guten Platz zu bekommen. Und dann gibt es noch die Library in der RUG, die man als Hanze Student allerdings nur außerhalb der Klausurenphase nutzen kann.
Fazit
Isa ihr Fazit über ihr Auslandssemester in Groningen fällt überaus positiv aus. Denn Groningen ist eine wunderschöne, lebendige und junge Studentenstadt, in der Menschen aus aller Welt zum Studieren zusammen kommen. Die Tatsache, dass die Bevölkerung so gemischt ist und, dass (fast) alle Niederländer fließend Englisch sprechen, macht es zu einem wirklich ausgezeichneten Ziel für ERASMUS. Und man ist nicht all zu weit von der Heimat weg.
Laut Isa, wird die Hanze der Bezeichnung Applied Science mehr als gerecht und durch die vielen Projekte und Gruppenarbeiten kann man Wissen anhäufen, welches einem im späteren Berufsleben noch sehr dienlich sein wird. Sie kann zukünftigen Studenten einen Aufenthalt in Groningen nur wärmstens empfehlen.
Aktuell besteht keine Kooperation mehr zwischen der Hanze University of applied science und der Hochschule Merseburg. Über aktuelle Kooperationen und Möglichkeiten stehen Euch verschiedene Partner an der HoMe zur Verfügung.
Weiterführende Informationen zum Studium im Ausland
Ansprechpartner am Fachbereich Wirschaftswissenschaften und Informationswissenschaften
International Office der Hochschule Merseburg
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Mehr Informationen über Groningen
Groningen(externer Link)
Hanze University of Applied Sciences(externer Link)