Eine für alle: Vertrauensstelle unterstützt konstruktive Konfliktlösung

29.05.2024, Onboarding Hochschulkultur Moderne Hochschulverwaltung, Haushalt & Personal Studieren und Lehren Social Wall Chancengerechtigkeit Gesunde Hochschule Zentraler Beitrag

Als allgemeine Anlaufstelle an der Hochschule Merseburg berät die Vertrauensstelle bei unterschiedlichen Konflikten im Hochschulkontext. Seit 2024 unterstützt Maud Winter das ehrenamtliche Team.


Ein wertschätzendes und faires Miteinander in einer vertrauensvollen Hochschulgemeinschaft – das ist eine der zentralen Leitlinien der Hochschule Merseburg. Trotz dieses Anspruches passiert es im Alltag immer wieder, dass diese Werte nicht eingehalten werden und sich Hochschulangehörige diskriminiert oder verletzt fühlen, sei es im Kollegium oder durch Vorgesetze, sei es im Studium durch Lehrkräfte oder durch andere Studierende.

Die Gesetzgebung hat im Jahr 2006 aus diesem Grund das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Schutzgesetz beschlossen. Es richtet sich gegen jedwede Diskriminierung und stellt eine wichtige Ergänzung des § 3 des Grundgesetzes dar. Das AGG hat zum Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§1 AGG).

Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss in jedem Betrieb oder Unternehmen eine sogenannte „Beschwerdestelle“ bestimmt und bekannt gemacht werden. Dies gilt unabhängig von der Größe des Betriebes und richtet sich an erster Stelle an die Mitarbeitenden der Einrichtung. An Hochschulen können neben Beschäftigten, die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt sind, auch Studierende von Diskriminierung betroffen sein, für die der Schutz des AGG jedoch nicht gilt. Hochschulen sehen sich daher verstärkt in der Verantwortung, einen umfassenden Diskriminierungsschutz sicherzustellen.

 

Eine übergreifende Beratungsstelle mit Feingefühl und Expertise

An der Hochschule Merseburg wird dies seit 2021 durch die Vertrauensstelle gewährleistet, denn hierhin können sich alle Hochschulangehörigen bei Problemen und Konflikten jeder Art vertrauensvoll wenden – also sowohl Mitarbeitende als auch Studierende. Damit ergänzt und entlastet die Vertrauensstelle andere Interessensvertretungen wie den Personalrat oder die Gleichstellungsbeauftragte oder auch die psychosozialen Angebote des Studentenwerks. Der Unterschied zwischen der Vertrauensstelle und anderen Anlaufstellen liegt vor allem darin, dass hier zunächst undifferenziert alle Anliegen Gehör finden, ganz gleich, welcher Art sie sind. Des Weiteren sollen die vier Mitglieder alle relevanten Statusgruppen repräsentieren: das wissenschaftliche Personal, das wissenschaftsunterstützende Personal (Verwaltung/Fachbereiche) sowie die Studierenden. Die Mitglieder der Vertrauensstelle wurden für dieses Ehrenamt angefragt und zeichnen sich durch ihre Erfahrungen, Expertisen, Menschenkenntnis, Vertrauenswürdigkeit und Sensitivität aus.

Maud Winter, ist das neueste Mitglied der Vertrauensstelle und arbeitet seit Oktober 2023 an der Hochschule Merseburg im Language Center. Sie hat bereits Erfahrungen im Ehrenamt gesammelt und findet es wichtig, dass es im Arbeitsumfeld eine Stelle gibt, an die man sich bei Konflikten immer wenden kann, zum Beispiel dann, wenn Vorgesetzte untätig bleiben. Maud Winter kann bei Bedarf auf Englisch beraten und sie möchte damit insbesondere internationalen Studierenden als Ansprechperson dienen.

„Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass Konfliktlösung bei uns besser funktioniert als an manch anderen Einrichtungen, wo sich niemand zuständig fühlt.“
(Maud Winter)

 

Chris Tischer verstärkt das Team als studentische Vertretung und repräsentiert damit die Perspektive der Studierenden. Neben dem Studium hat Chris Tischer bereits viele Erfahrungen als Trainer*in im Bereich Antidiskriminierung und Awareness-Arbeit gesammelt und ist insbesondere Ansprechperson bei Fragen zu Diskriminierung, Rassismus sowie zu Gender und queeren Themen.

Franziska Friske, Dekanatsreferentin des Fachbereichs INW, wurde als Vertreterin der Fachbereiche für die Unterstützung der Vertrauensstelle angefragt und ist seit 2021 in diesem Ehrenamt aktiv. Sie steht allen Anliegen und Fragen offen gegenüber und berät gern und diskret, insbesondere bei Problemen von Mitarbeitenden.

Johannes Herwig-Lempp, Professor für Sozialarbeitswissenschaft und systemische Sozialarbeit, interessierte sich schon während seiner Zeit als Sozialarbeiter dafür, wie Beschwerdeinstanzen als gesellschaftliche bzw. institutionelle Teilhabemöglichkeiten fungieren können. Er half im Bereich der Jugendhilfe bei der Einrichtung einer Beschwerdestelle und konnte auf diese Erfahrungen beim Aufbau der Vertrauensstelle an der Hochschule Merseburg zurückgreifen. Trotz des teils hohen Zeitaufwands findet er seine Aufgabe spannend, denn es sei immer lohnenswert, wenn auch oft nicht einfach, sich um konstruktive Konfliktlösung zu bemühen, um Verbesserungen voranzubringen.

„Verstöße gegen Normen und Gesetze in Bezug auf Gleichstellung sowie Diskriminierung kommen im zwischenmenschlichen Miteinander immer wieder vor. Dafür braucht es einfach Stellen, in denen sich dieser Konflikte oder Verstöße angenommen wird, um es zu heilen oder dafür zu sorgen, dass es nicht mehr oder zumindest seltener passiert.“ (Johannes Herwig-Lempp)

 

Kein Mensch muss alles nur mit sich allein ausmachen

Bislang gab es insgesamt 30 ganz unterschiedliche Anfragen an die Vertrauensstelle. Darunter sind sowohl Konflikte von Mitarbeitenden untereinander, von Mitarbeitenden gegenüber Vorgesetzen wie auch Fälle, in denen sich Studierende wegen anderen Studierenden oder wegen Problemen mit Hochschulmitarbeitenden an die Vertrauensstelle wenden. In manchen Fällen gibt es umgekehrt für Hochschulmitarbeitende Probleme mit Studierenden. Die meisten der bei diesen Anfragen geäußerten Konflikte lassen sich recht schnell und unkompliziert lösen oder zumindest verbessern. Bei circa einem Drittel der Anfragen ist die Beratung schwieriger und umfangreicher und bedarf mehrerer Gespräche, zum Beispiel mit weiteren beteiligten Personen, um alle Seiten anzuhören. Dazu gehören beispielsweise Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Behinderung oder Rassismus bis hin zu sexuellen Übergriffen. In solchen Fällen berät das Team der Vertrauensstelle gemeinsam, manchmal wird dabei auch kontrovers diskutiert. Bei Themen, die außerhalb des eigenen Kompetenzbereichs liegen, zum Beispiel bei rechtlichen oder psychischen Problemen, wird an andere Beratungsstellen weitervermittelt.

„Wir brauchen nicht so zu tun, als würde es Diskriminierung an unserer Hochschule nicht geben. Kleinreden ist nicht zielführend. Für Betroffene ist es wichtig, dass sie sich gesehen und ernst genommen fühlen und dass es eine Stelle gibt, an die sie sich wenden können. Wir haben hier aber nicht die Möglichkeit, die Macht und auch nicht die Kompetenzen, alle an uns herangetragenen Probleme zu lösen oder auf alle Strukturen Einfluss zu nehmen. Als Anlaufstelle können wir Betroffene in ihrer Erfahrung vor allem begleiten und unterstützen.“ (Chris Tischer)
 

Konfliktlösung muss nicht immer gleich zu weitreichenden Konsequenzen führen und nicht immer braucht es eine höhere Instanz, die durchgreift. Mitunter sind Missverständnisse oder Unsicherheiten mögliche Ursachen von Spannungen und Zwistigkeiten im Arbeitsalltag. Hier kann es schon genügen, wenn der ratsuchenden Person konkrete Lösungsmöglichkeiten aufzeigt werden und sie ermutigt wird, bestehende Konflikte selbst anzugehen, ohne Intervention von Dritten. Egal, mit welchem Anliegen man sich an die Vertrauensstelle wendet, in jedem Falle wird mit den Betroffenen abgesprochen, ob und wenn ja welche weiteren Schritte unternommen werden. Bei Bedarf kann über das Besprochene auch Stillschweigen vereinbart werden. Denn ein einzelnes Gespräch kann schon für sich hilfreich und entlastend sein, um beispielsweise eine neue Perspektive einzunehmen oder sich den Leidensdruck einfach mal von der Seele zu reden.

„Wir bestehen nicht nur aus Konflikten! Aber als Hochschule sind wir ein Ort der Vielfalt und das bringt eben auch heterogene Ansichten, Kommunikations- und Umgangsweisen mit sich, die mitunter hart aufeinanderprallen und zu Problemen führen können.“  (Franziska Friske)


Wichtig sei, dass man nicht immer nur den Fokus auf das richtet, was nicht funktioniert, betont Prof. Herwig-Lempp. Er sieht die Hochschule Merseburg grundlegend gut aufgestellt in Sachen Konfliktmanagement. Wie gut wir dieses bewerkstelligen, liege immer auch an den beteiligten Personen selbst, ergänzt Chris Tischer.

„Es gibt viele Einzelpersonen oder Instanzen an der Hochschule Merseburg, die sehr bemüht sind, Konflikte zu lösen. In den meisten Fällen bekommen wir das ganz gut hin und manchmal eben auch nicht so gut. Aber es lohnt sich immer, es zumindest zu probieren.“ (Johannes Herwig-Lempp)

 

Weitere Informationen und Kontakt zur Vertrauensstelle:

www.hs-merseburg.de/vertrauen

 

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