„Hilfe suchen, lohnt sich!“ Im Gespräch mit Rita Lux, Vertrauensperson für Schwerbehinderte an der Hochschule Merseburg

03.02.2021, @ HoMe

Viele Hochschulangehörige kennen Rita Lux als freundliche Bibliothekarin von Schulungen, Führungen und Einzelberatungen in der Hochschulbibliothek. Dass Frau Lux zu unseren schwerbehinderten Mitarbeitenden gehört, wissen jedoch die wenigsten. Denn wie vielen Betroffenen ist ihr ihre Behinderung nicht anzusehen. Dennoch ist ihr nur allzu bewusst, wie schwer persönliche Einschränkungen im Arbeitsalltag wiegen können. Als Vertrauensperson für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte berät und unterstützt Rita Lux deshalb betroffene Kolleginnen und Kollegen.

Frau Lux, wie wirkt sich eine Behinderung im Hochschulalltag aus?

Behindert bzw. schwerbehindert zu sein, bedeutet, immer zu kämpfen. Fast jede*r Betroffene hat den Anspruch, trotz Einschränkungen die gleichen Leistungen wie andere Studierende oder Mitarbeitende zu erbringen. – Oder sogar noch mehr, um zu beweisen, dass er oder sie genauso wertvoll ist wie jede*r Gesunde.

Das ist sicher mit einem enormen Kraftaufwand verbunden. 

Ja, definitiv! Bei den meisten Krankheiten gibt es gute und schlechte Tage. Viele Betroffene haben sich auch in gewisser Weise an chronische Beschwerden gewöhnt. Wenn jedoch noch Druck, das Gefühl, gehetzt zu sein oder gar eine Depression hinzukommen, ist die Situation für diese Menschen extrem belastend.

Wie helfen Sie als Vertrauensperson und Interessenvertreterin für Schwerbehinderte?

Ich bin Ansprechpartnerin und helfe Betroffenen gern bei allen Fragen rund um das Stellen von Anträgen und die Arbeitsorganisation. Gemeinsam schauen wir, ob wir im Arbeitsumfeld Veränderungen vornehmen können, die helfen, damit es der Person besser geht. Ziel ist, dass alle – unabhängig von Einschränkungen - sich bei uns wohlfühlen und gern zur Arbeit kommen. Außerdem helfe ich bei kommunikativen Problemen.

Was bedeutet das?

Dass ich z. B. auch mal mit dem jeweiligen Abteilungsleiter oder der Abteilungsleiterin spreche und für die Situation der*s Betroffenen sensibilisiere. Andererseits zählt dazu, schwerbehinderten Personen Mut zu machen, auch mal „Nein“ zu sagen, um Überlastungen vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Damit mache ich mir nicht immer nur Freunde. Wichtig ist aber, dass diese Menschen jemanden haben, der für sie spricht. Es ist manchmal schwerer, für sich selbst einzustehen als für andere. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wie unterstützen Sie betroffene Mitarbeitende darüber hinaus?

Neben Gesprächen gebe ich Hilfe zur Selbsthilfe, z. B. bei der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises. Jede*r Gesunde kann jederzeit von einer Behinderung betroffen werden. Wer länger als sechs Monate eine chronische Krankheit hat, die ihn oder sie einschränkt und in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben „behindert“, kann sich gern an mich wenden. Gleiches gilt für dauerhafte Beschwerden nach einem Unfall. Bewirbt sich eine schwerbehinderte oder den Behinderten gleichgestellte Person bei uns an der Hochschule, bin ich im Vorstellungsgespräch dabei. Zudem organisiere ich einmal pro Jahr ein Treffen aller schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeitenden. Ein persönliches Vertrauensverhältnis ist mir dabei sehr wichtig. Alle Betroffenen wissen, dass sensible Informationen bei mir bleiben und sich die Probleme nach einem vertraulichen Gespräch oft besser einordnen lassen.

Warum lohnt es sich, entsprechende Anträge zu stellen?

Nur wer einen Antrag stellt und sich somit  seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bescheinigen lässt, kann auf entsprechende Unterstützung bauen. Zum Beispiel haben diese Menschen schon ab Antragstellung einen besonderen Kündigungsschutz. Wer schwer betroffen ist (ab GdB 50), bekommt laut Gesetzgeber Nachteilsausgleiche wie 5 Tage mehr Urlaub, einen steuerlichen Ausgleich und kann abschlagsfrei eher in Rente gehen. Je nach Einschränkung ist die Nutzung von Behindertenparkplätzen möglich. Darüber hinaus gibt es Unterstützung, wenn Betroffene zum Beispiel ganz spezielles Mobiliar oder eine besondere technische Ausstattungen benötigen, um im Arbeitsalltag bestehen zu können.

Sie sind in erster Linie für die Mitarbeitenden zuständig. Dürfen sich Studierende auch an Sie wenden?

Ja, ich bin für unsere Mitarbeitenden zuständig. Ich habe aber auch für Studierende ein offenes Ohr und würde niemanden wegschicken. Grundsätzlich ist jedoch Dr. Angelstein vom Dezernat Akademische Angelegenheiten der richtige Ansprechpartner für unsere Studierenden. Er ist der  Behinderten- und Inklusionsbeauftragte der Hochschule. Zu Themen wie einem Nachteilsausgleich für Studierende kennt er sich am besten aus.

Wie machen Sie Betroffenen Mut?

Viele Menschen sagen mir „Ich bin doch nicht behindert!“, wenn ich ihnen Mut machen möchte, einen Antrag zu stellen. Das Wort „Behinderung“ ist so hart. Aber im Grunde bedeutet es: Man hat eine gesundheitliche Einschränkung und kann dennoch viel im Arbeitsleben beitragen. Man kann trotzdem gern arbeiten gehen und seinen Platz in der Gesellschaft finden. Man soll und darf nicht ausgegrenzt werden. Ja, die Anträge zu stellen und das Prädikat „Behinderung“ sind Fakten, die man persönlich akzeptieren muss. Aber dafür gibt es das Entgegenkommen – durch den Arbeitgeber und von der Gesellschaft, das vieles erleichtert und ermöglicht. Deshalb lohnt es sich, dazu zu stehen eine gesundheitliche Einschränkung zu haben!

 

 

Nach oben