Der Lehr- und Prüfungsbetrieb im Sommersemester 2020 hat an der Hochschule Merseburg am 20. April begonnen. Allerdings nicht als Präsenzstudium vor Ort, sondern in großen Teilen ohne physische Anwesenheit der Studierenden in Form eines Onlinestudiums. Prof. Dr. Thomas Rachfall, Professor für ABWL, Unternehmensrechnung und Controlling, geht im Gespräch auf die aktuelle Situation der Lehre ein und erläutert, wie er das Sommersemester für seine Studierenden gestaltet.
Welche Studiengänge betreuen Sie als Professor?
- Bachelor Betriebswirtschaftslehre
- Bachelor Wirtschaftsinformatik
- Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen (Schwerpunkt: Management)
- Master Projektmanagement
- Master Controlling und Management
Mit welchen Formaten der digitalen Lehre sprechen Sie Ihre Studierenden an?
Das Format meiner digitalen Lehre hängt stark vom Fach ab. In den eher grundlegenden Fächern des Bachelorstudiums (z. B. Kostenrechnung oder Grundlagen Controlling) arbeite ich viel mit aufgezeichneten Theorievideos. Zusätzlich stelle ich Übungsvideos bereit, in welchen ich beispielsweise etwas vorrechne. Die Studierenden haben so die Möglichkeit, eigene Übungsaufgaben zu rechnen. Dies ist ein asynchrones Format, bei welchem es ganz wichtig ist, ausreichend Fragerunden einzubauen. Ich mache dies über ein Web-Seminar.
In den Fächern des späteren Bachelorstudiums und der Masterstudiengänge (z. B. operatives Controlling und Kostenmanagement) ist es mir wichtig, dass Studierende eher die höheren Stufen von Bloom´s Taxonomie erreichen, also das Analysieren, Evaluieren und Erschaffen. Daher arbeite ich zwar auch mit Videos und Übungsaufgaben, aber hier setze ich mehr auf Web-Seminars, in welchen Studierende ihre Fallstudien in Gruppen besprechen und vortragen müssen.
Kann der komplette Lehrstoff inhaltlich online vermittelt werden?
Wenn wir in meinen Fächern über den reinen Lernstoff sprechen, dann ist es sicher möglich, diesen zum größten Teil online zu vermitteln. Was allerdings schwierig wird, ist die Vermittlung der Begeisterung und der Motivation. Dies ist in einer Präsenzveranstaltung einfacher. Nach einer Präsenzveranstaltung wissen die Studierenden, wie genial das Gebiet des Controllings ist. Es verhält sich hier ebenso mit Erfahrungen, die sich in einer Präsenzveranstaltung leichter vermitteln lassen.
Hat es Ihrerseits davor schon Bestrebungen gegeben, die Onlinelehre vermehrt in den Lehrbetrieb einzubauen?
Ja, ich versuche in allen Fächern digitale Elemente einzubauen. Aus meiner Sicht macht eine gewisse Vielfalt die Bearbeitung spannender. Ferner bieten asynchrone Formate den Vorteil, dass sich Studierende auch in der Prüfungsvorbereitung Themen immer wieder zu Gemüte führen können.
Die aktuelle Situation ist auch als Chance zu sehen. Worin sehen Sie die größten Vorteile digitaler Lehre sowohl für Lehrende als auch für Studierende?
Genau das sehe ich auch, die aktuelle Situation ist als enorme Chance zu sehen. Jedenfalls wenn es um die Themen Lehre und Digitalisierung geht. Wenn wir mehr theoretische Inhalte in andere Formate packen, bleibt uns in den Veranstaltungen mehr Zeit, praktische Dinge zu besprechen und mehr zu üben. Dies ist ein Vorteil für Studierende und Lehrende.
Wie lassen sich digitales und analoges Lernen am besten verzahnen?
Wie schon erwähnt, ist aus meiner Sicht eine Präsenzlehre nicht eins zu eins durch Onlinelehre zu ersetzen. Allerdings kann man sie gut kombinieren. Dieses Konzept nennt man Flipped Classroom. Hier vertauschen sich die Lern- und die Selbstlernphase. Während klassischerweise zuerst die Lehrenden Wissen vermitteln und die Studierenden anschließend lernen, ist es beim Flipped Classroom Konzept anders herum. Hier lernen die Studierenden zuerst (u. a. mithilfe von Online-Elementen) und anschließend wird mit den Lehrenden zusammen auf mögliche Fragen eingegangen, geübt und reflektiert. In diesen schwierigen Zeiten kann die Reflexionsphase natürlich auch über ein Web-Seminar erfolgen.
Was geben Sie Studierenden für das Onlinestudium im SoSe 2020 mit auf den Weg?
Der abrupte Wechsel von Präsenz- zu Onlinelehre ist für uns alle sehr überraschend gekommen. Dies bringt natürlich auch viele Herausforderungen mit sich. Ich rate daher, sich durch die Situation nicht demotivieren zu lassen. Starten Sie mit der Teilnahme an den Web-Seminaren. Versuchen Sie keines zu verpassen. Setzen Sie sich beim Lernen realistische Ziele. Lernpläne können da helfen. Aus meiner Sicht ganz wichtig: tauschen Sie sich mit anderen Studierenden aus. Gründen Sie virtuelle Lerngruppen. Wenn vorhanden, sollten die Online-Tutorien genutzt werden. Und mein persönlicher Tipp: belohnen Sie sich! Ich gönne mir zum Beispiel nach erreichten Schreibtischzielen Zeit mit meinen Töchtern. Die sind ja gerade auch immer zu Hause.