Das Projekt „HanFgreiflich“ der Hochschule Merseburg wurde vom Rotary Club Halle Georg Friedrich Händel mit dem Förderpreis „Klima und Umwelt“ ausgezeichnet. Ivette Witkowski ist an der Hochschule Merseburg Projektmitarbeiterin im Bereich Wirtschaftswissenschaften und Informationswissenschaften bei Prof. Lutz Klimpel und an der HoMe Akademie bei Andreas Kröner.
Das bereits abgeschlossene Pilotprojekt BioenergiePLUS wurde vom Modellvorhaben „Unternehmen Revier“ gefördert. Im Projekt wurde das wirtschaftliche Potential der Nutzpflanze Hanf für den bevorstehenden Strukturwandel der mitteldeutschen Kohleregion hin zu einer Bioökonomie untersucht. In diesem wirkten Prof. Lutz Klimpel, Prof. Gundula Barsch, Prof. Dietmar Bendix und Prof. Alfred Frei mit.
Ivette Witkowski beschäftigt beschäftigt sich durch die Mitarbeit im Projekt BioenergiePLUSschon längere Zeit mit dem Rohstoff Nutzhanf und hat zusammen mit drei Mitstreiter*innen (Anett Egert, Svenja Ossenbrüggen und Felix Drewes/Hanfbaukollektiv) die erfolgreiche Bewerbung im letzten Jahr eingereicht. Warum Hanf so viel mehr als nur eine Droge ist und wie der Anbau und die Nutzung von Hanf beim Struktur- und Klimawandel helfen können, erläutert sie uns im ausführlichen Interview.
Frau Witkowski, wie sind Sie auf den Förderpreis aufmerksam geworden?
Schon vor geraumer Zeit sind wir auf Nutzhanf als vielseitig einsetzbaren und schnell nachwachsenden Rohstoff aufmerksam geworden. Durch meine Mitarbeit im BioenergiePLUS – Projekt der HS Merseburg ist die Idee für das Projekt entstanden und wir haben uns gezielt über Fördermöglichkeiten informiert. Wir waren begeistert, dass in unserer Region der Rotary Club Halle G.F. Händel den Förderpreis „Klima und Umwelt“ ausgeschrieben hat. Wir wussten, die Ziele und Werte dieser Ausschreibung spiegeln sich in unserem Projekt wider.
Wie konnten Sie die Jury von sich überzeugen?
Der Vorstand des Rotary Clubs Halle teilte uns mit, dass die Jury besonders „den regionalen, interdisziplinären und wissensvermittelnden Ansatz, der den nachhaltigen Nutzen einer fast vergessenen Kulturpflanze in den Vordergrund stellt“, spannend und förderungswürdig fand. Uns ist es gelungen, die Bedeutung und das Potential von Hanf für den erfolgreichen Strukturwandel in der Region hervorzuheben. Außerdem haben wir mit unserem bioökonomischen Ansatz überzeugt. Darüber hinaus war es der Jury wichtig, die rotarische Förderidee aufzugreifen. Das haben wir getan, da unser Konzept vorsieht, das Wissen einer breiten Masse zugänglich zu machen.
Womit beschäftigt sich das Projekt „HanFgreiflich“?
Wie der Name des Projekts schon vermuten lässt, geht es um Hanf, genauer gesagt Nutzhanf / Industriehanf, der nicht zum Berauschen, dafür für allerhand andere industrielle Zwecke geeignet ist. Hanf ist eine sehr alte Nutzpflanze, die robust und wenig anspruchsvoll an ihre Umgebung ist. Sie wächst 50-mal schneller als Holz und gehört zu den faserreichsten Pflanzen der Erde. Mit unserem Projekt verfolgen wir mehrere Ziele parallel. Zum einen soll durch Aufklärung und Wissenstransfer ein Beitrag zur Rehabilitierung von Hanf geleistet werden. Wenn man Hanf hört, denkt man nicht sofort an Lebensmittel, Baustoffe oder Kosmetik, sondern an ein Rauschmittel.
Zum anderen möchten wir mit unserem Projekt dazu anregen, sich in verschiedenen Industrie- und Lebensbereichen mit pflanzenbasierten Alternativen zu herkömmlichen Produkten auseinanderzusetzen.
HanFgreiflich möchte die Machbarkeit einer regionalen, biobasierten Kreislaufwirtschaft mit Hanf im Mittelpunkt demonstrieren. Die Region Mitteldeutschland ist inmitten eines großen Strukturwandels. Die Kohle hat ausgedient und nun? Wie können Arbeitsplätze geschaffen, die brachliegenden Tagebauflächen renaturiert, der Region eine Art neue Identität gegeben und dabei die EU-Klimaschutzziele respektiert werden? Der Aufbau einer regionalen, vielseitigen Wertschöpfungskette auf Hanfbasis, also vom Anbau bis hin zu verschiedenen Endprodukten, soll für die Region etabliert werden. Der Strukturwandelprozess wird durch unser Projekt um eine sinnvolle Alternative ergänzt und die Attraktivität der Region gesteigert. Um alle diese Ziele zu erreichen, ist es wichtig, dass wir ein Netzwerk aus Forschung, Bildung, Industrie und Handwerk aufbauen.
Was ist das Besondere an „HanFgreiflich“?
Der positive Kaskadeneffekt, den die Rehabilitierung und Nutzung von Hanf für die Region und darüber hinaus haben kann, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Durch Aufklärungsarbeit und Wissenstransfer wollen wir einen Beitrag zur Entwicklung einer Bioökonomie auf Hanfbasis leisten. Wir wollen eine Plattform etablieren, die Vernetzungspunkt und Exponat in einem ist. Durch "Erfahrbarmachung" zeigen, dass und wie es geht.
Wie geht es mit dem Projekt weiter? Was sind die nächsten Schritte?
Wir haben Pläne und Ideen für verschiedene Workshops für unterschiedliche Gruppen (z.B. Schulen, Jugendeinrichtungen usw.). Sobald es wieder möglich ist, sollen Workshops rund um die Herstellung von Kosmetika und Lebensmitteln vor Ort oder in den Einrichtungen stattfinden. Dabei sollen die Teilnehmer*innen zum Beispiel ihre eigene Naturkosmetik, natürlich mit Hanf, herstellen. In weiteren Workshop soll es um die Herstellung und Nutzung von Hanf als Baustoff gehen. Darin wollen wir Wissen weitergeben, aufklären und Exponate für unseren Hanflernpfad kreieren. Außerdem schauen wir uns weiter nach Partnern in der Region und darüber hinaus um. Wer also Interesse hat, mit uns zu wirken, soll sich gerne bei uns melden!
Was ist in Zukunft geplant und was haben Sie sich vorgenommen?
Wir wollen zu einem sozioökonomischen System beitragen, das in Einklang mit der Natur steht. Wir wollen Orte schaffen, die den Menschen inspirieren, Fähigkeiten für eine ausbalancierte Lebensweise zu entwickeln - ein ökologisch nachhaltiges und sozial lohnendes Leben. Wir wollen natürliche, gesunde Baumaterialien und ökologische Ernährungssysteme erforschen und fördern. Wir wollen Strategien entwickeln und vermitteln, um Konzepte zu fördern, die es ermöglichen, unsere Vision von gemeinsamem Wohlstand wahr werden zu lassen. Hanf ist hier nur der erste Schritt und ein wichtiger Schlüsselbaustein für den weiteren Weg.
Die Botschaft unseres Projektes ist groß! Der Stopp der Klimakrise und die Regeneration unserer Ökosysteme mithilfe regionaler, biobasierter Kreislaufwirtschaft binnen weniger Jahrzehnte ist möglich – einfacher und schneller, als die meisten es annehmen.
Unabhängig vom Projekt „HanFgreiflich“ werden beginnend mit dem Termin am 24. April 2021 bereits Workshops zur Herstellung von Naturkosmetik mit Hanf über die HoMe Akademie (Weiterbildung) angeboten. Alle Infos zu den Workshops, zur Anmeldung und zur Kursgebühr finden Sie hier.