Präamble
Mit dem neuen Cannabisgesetz und der damit verknüpften drogenpolitischen Wende stellen sich ganz neue Herausforderungen. Ließ sich zuvor jeder Gedanke, sich intensiver mit Cannabis, seinem Anbau und seinem Konsum beschäftigen zu müssen, mit Verweis auf das absolute Verbot vom Tisch wischen, passt das nicht mehr in die Realität. Eile ist geboten, lange vernachlässigtes Streben nach Wissen und Ideen für praktisches Tun nachzuholen. Längst etabliert sich eine Praxis, die durchaus Begleitung und Unterstützung gebrauchen kann.
An der Hochschule Merseburg wurde bereits seit vielen Jahren immer wieder auch das Thema „Cannabis“ aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und in Diskussionen und praktischen Projekten Wissen und Ideen für Projekte entwickelt. Hier wollen wir diesen Fundus all denjenigen zur Verfügung stellen, die nach Informationen, Anregungen und Ideen suchen, sich aktiv in dieses innovative drogenpolitische Vorhaben einzumischen und an den gestellten Herausforderungen und auch offenkundigen Stolperstellen mitzuarbeiten. Die Leitidee des Mitwirkens ist, den Ansätzen einer regulierten Praxis Chancen auf Erfolg einzuräumen.
Was ist eigentlich Cannabis?
Mehr als nur eine kleine Substanzkunde
Es wäre sehr substanzfixiert, wenn sich das Wissen zu Cannabis darauf beschränkt, welche Sorten und welche pharmakologische Zusammensetzung diese Pflanze hat. Allein der Hinweis darauf, dass sich hinter dem lateinischen Namen CANNABIS die altbekannte HANF-Pflanze verbirgt, löst bei vielen schon Erstaunen aus. Diese Verwunderung ist ein Beleg dafür, wie stark das Wissen um Hanf mit Schauergeschichten aufgeladen und aus unserem Alltag herausgedrängt wurde.
Institutionen und Ämter vor Herausforderungen in Zusammenhang mit Cannabis?
Jugendhilfe und Jugendamt:
Drogenkonsum und Kindeswohl – (wie) geht das?
In den Jahren 2015/16 arbeitete eine Forschungsgruppe zur Frage, wieweit sich der Konsum von Drogen– es ging um Crystal – auf die Erziehungsfähigkeiten von Müttern und Vätern auswirkt und wie das physische, psychische und soziale Wohl der davon betroffenen Kinder ausreichend Augenmerk bekommen kann.
Erarbeitet wurde dazu nicht nur ein Standpunktpapier, in dem das Thema in seinen verschiedenen Aspekten diskutiert wird. Für die unmittelbare praktische Arbeit entstanden Prüflisten für die Arbeit mit suchtbelasteten Familien, mit denen sich systematisch eine Gefährdungseinschätzung erarbeiten lässt. Dazu gehören:
- Eine Orientierungsmatrix zum Zusammenhang unterschiedlicher Konsummuster und deren unterschiedlicher Einfluss auf die Erziehungsfähigkeit:
- Risikoabschätzung bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung beim Drogen-konsumierenden Eltern; gedacht als Arbeitshilfe zur Ersteinschätzung einer möglichen Kindeswohlgefährdung.
- Konsumbedingte Risikofaktoren für das Kindeswohl: Übersicht über drogenspezifische Risikofaktoren am Beispiel von Crystal und Ergänzung zur Arbeitshilfe der Ersteinschätzung einer Kindeswohlgefährdung
- Auswertung der ersten Intervention: Auswertungsschema für erste Interventionen: Hilft die ersten eingeleiteten Maßnahmen oder Schritte auszuwerten und das weitere Vorgehen zu planen.
- Schema Schutzplan: Instrument, um mit allen Beteiligten Maßnahmen zum Schutz des Kindes verbindlich festzusetzen.
Diese Materialien sind zwar für Fälle konkretisiert worden, in denen Mütter und/oder Väter Crystal konsumieren. Sie werden in der Praxis aber schon jetzt auch für die Arbeit mit Familien genutzt, in denen andere Drogen das Familienleben dominieren.