Camp für Digitale Kultur
Im Juli 2022 fand erstmals das Camp für Digitale Kultur unter dem Motto „Digital ist besser?!“ in der Willi-Sitte-Galerie in Merseburg statt. Ziel des zweitägigen Camps war es, diverse Praktiken der Vermittlung digitaler Kultur sichtbar zu machen, auch um unsere eigene Arbeit im Komplexlabor zu reflektieren.
So konnten wir engagierte Akteur*innen, denen wir im Laufe der Arbeit im Komplexlabor Digitale Kultur begegnet sind, zusammenbringen. Theoretiker*innen, Maker*innen, Künstler*innen, Bastler*innen und Pädagog*innen konnten über Aspekte digitaler Kultur ins Gespräch kommen. Diese Erwartungen hat das Camp in unseren Augen absolut erfüllt und wir haben die vielen anregenden Diskussionen, die neuen Kontakte und die Atmosphäre sehr genossen. Wir danken allen Speaker*innen und Teilnehmer*innen, dass Sie mitgeholfen haben diese zwei Tage mit Inhalten und Gesprächen zu füllen.
Die entstandene Publikation können Sie open access http://dx.doi.org/10.25673/97278 als PDF anschauen und speichern.
Programmrückblick
Kern des Programms waren eine Keynote und drei Panels. Die Impulse und Diskussion zu den Schwerpunkten KI-Literacy, VR/XR-Literacy und Maker-Literacy wurden ergänzt durch künstlerische Beiträge sowie praktische Arbeiten, insbesondere der Maker-Kultur. Alle drei Panels wurden von der Kultur- und Medienwissenschaftlerin Sara Morais dos Santos Bruss moderiert.
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Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Ars Electronica (Linz), eröffnete am Donnerstag, den 21. Juli das Camp mit der Keynote „Digitalisierung verändert nicht unsere Welt – wir tun es.“. Darin sprach er darüber, wie sich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Rahmenbedigungen im digitalen Lebensraum an den Erfordernissen der User*innen orientieren müssen. Darüber hinaus müssen wir als User*innen aber auch neue Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten erlernen und neue Vertantwortungen wahrnehmen.
Darauf folgte das Panel KI-Literacy, in dem der Umgang mit Künstlicher Intelligenz aus den Perspektiven von Interaktionsdesign, Industriedesign, Bildungswissenschaften und Philosophie beleuchtet wurden. Professor Dr. Arne Berger (Hochschule Anhalt) zeigte anhand von Praxisbeispielen wie partizipative und sozialverantwortliche Technikentwicklung und ein damit einhergehendes Mitspracherecht aussehen können. Mit „AI Pictures“ erklärte Amelie Goldfuß (Burg Giebichenstein) wie aktuell die Bildsprache zu Künstlicher Intelligenz aussieht, warum diese falsche Erzählungen über KI verstärkt und zeigte Ansätze, wie eine andere Bildsprache KI-Literacy unterstützen kann. Dr. Alexander Scheidt (FH Potsdam) sprach darüber, warum KI in Schulen vermittelt werden sollte und zeigte Beispiele, wie das gelingen kann. Anschließend kamen die drei Speaker*innen miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch.
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Anschließend gab das Künstler*innen-Kollektiv Post-Organic Bauplan (Josefina Maro und Salvador Marino) im Format Meet the Artist Einblicke in ihre Arbeit an der Schnittstelle von Tanz und Robotik, Choreografie und Biologie. Sie stellen Roboterprothesen her und experimentieren mit ihnen durch Tanz, um Körperlichkeiten zu erforschen.
In der begleitenden Ausstellung war ihre Video-Installation „[ab]bauen“ zu sehen. Neben dieser Arbeit zeigte das Moving Target Collective die Installationen „MiauMiau“, ein Prototyp für eine fiktive feministische Sprachassistenz, sowie „Once An Assistant, Always An Assistant“, die den Prozess der Feminisierung in der Arbeitswelt der Moderne, die Verbindung von Frauen mit Assistentinnen und feminisierten Sprachassistenten beleuchtet. Darüber hinaus waren Video-Arbeiten von Jessica Broscheit (HAW Hamburg) sowie Maker-Projekte von Robert Müglitz und die „Any-Cubes“ von Alexander Scheidt zu sehen.
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Am Nachmittag folgte das Panel VR/XR-Literacy. Informatik-Professor Dr. Kai von Luck (HAW Hamburg) präsentierte Forschungsprojekte wie die Erstellung interaktiver digitaler Zwillinge, die in Kooperation mit einem Energieunternehmen für Echtzeit-XR-Trainings an schwer zugänglich Offshore-Windkraftanlagen eingesetzt werden sollen. Professor Marco Zeugner (Hochschule Merseburg) sprach über die Vor- und Nachteile immersiven Lernens und der Gestaltung von digitalen Lerninhalten. Im Anschluss stellten sich die beiden den Fragen der Teilnehmer*innen.
Am Abend gab die Künstlerin Esmeralda Conde Ruiz erste Einblicke in ihre Arbeit zum Sound von Künstlicher Intelligenz während ihrer Künstlerresidenz im Schaufler Lab@TU Dresden. Der Klang von Serverfarmen bildet einen zentralen Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Forschung zu KI. Die Performance „Larynx Nights x Merseburg“ war ein Publikumsexperiment, das den Effekt von a-capella-Musik, körperlicher Präsenz und Gefühlen sozialer Verbundenheit erforschte.
Den Ausklang des Abends bildete das Projection Mapping an der Fassade der Willi-Sitte-Galerie von Max Wileschek. Visuell hat er mit Willi Sittes Gemälden und Photogrammetrie-Punktwolken gearbeitet, welche die Zerlegung der Wirklichkeit in Punkte der Digitalität darstellten.
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Der zweite Tag des Camps stand ganz im Zeichen von Maker-Literacy und Maker-Kultur. Am Vormittag gaben Medienpädagog*innen im Panel Maker-Literacy Einblicke in ihre praktische Arbeit. Robert Müglitz sprach über „Die Rückeroberung von Hammer und Säge im Werkunterricht des digitalen Zeitalters“ anhand von Projekten in Jugendclubs und Schulen. Kristin Narr präsentierte die Arbeit der „Maker Days for Kids“ und wie diese temporäre, offene digitale Lernsetting schaffen. „Wie Jugendliche mit Code die Welt verbessern“ erklärte Nina Schröter von Jugend hackt e.V., die Jugendliche selbstbestimmt arbeiten lassen und ihnen dabei gesellschaftspolitische Fragestellungen vermitteln. Neben diesen Impulsen konnten auch viele Besucher*innen aus ihrer Praxis erzählen und es entstand ein fruchtbarer Austausch im Anschluss an die Impulse.
Digitales Basteln: Das Get-Together für Maker*innen
Zum Abschluss des Camps fand am Freitagnachmittag das Get-Together für Maker*innen statt. Dabei wurden verschiedene Maker-Projekte von Studierenden der Hochschule Merseburg aus den Seminaren „Digitale Kultur, DIY, Maker“ (Bachelor) und „Wissenschaftliches Praxisprojekt: Digitales Basteln“ (Master) ausgestellt. So konnten die Semesterarbeiten in einem würdigen Rahmen präsentiert werden. Zusätzlich stellten die Maker Days for Kids Leipzig und die HABA Digitalwerkstatt ihre Arbeit vor.
Im Bereich Making und Maker-Education entstehen Projekte, die zum einen bekannte Technologien und Tools wie LEDs, leicht programmierbare Mikrocontroller (z. B. Calliope) oder Arduinos nutzen. Andererseits spielen hier auch Aspekte des Selbermachens und Verstehens der Technik durch Aneignung dieser eine große Rolle. Durch den niedrigschwelligen Zugang sind unterschiedliche Projekte möglich, die außerdem Spaß machen. Auf sogenannten „MakerFaires“ kommen dann unterschiedliche Akteur*innen zusammen, die ihre Arbeit vorstellen, Produkte präsentieren, aber auch von der Schwarmintelligenz der Anderen profitieren, die ganz eigene Ideen beisteuern, Verbesserungsvorschläge oder weitere Möglichkeiten äußern und schlichtweg miteinander ins Staunen kommen können.
Das Get-Together bildete in diesem Sinne eine Plattform für die Austeller*innen und Besucher*innen der Tagung, sich auszutauschen, Erfahrungen zu teilen oder auch die Projekte weiterzudenken. Beispielsweise konnte spontan vor Ort für das Wasserspiel, welches von einer Masterstudierenden gebaut wurde, ein Element repariert werden oder auch zwischen Studierenden, die Anlaufstellen für Praktika und Projektarbeit suchten, Vernetzung stattfinden.
Ausgestellt wurden LED-Projekte wie eine Fahrradweste zum An- und Ausschalten, ein leuchtendes Tic-Tac-Toe oder Schmuck mit LEDs als Wearables, außerdem 3D-Druck Beispiele für diverse Cosplay Accessoires, VR-Welten für den Bildungs- aber auch Projektplanungskontext oder auch eine individuell programmierbare und interaktive Schaufenstergestaltung. Für die Studierenden war es spannend, Maker*innen zu treffen, die von ihren praktischen Erfahrungen berichten konnten, aber auch untereinander die Ergebnisse begutachten zu können. Für die Tagungsteilnehmenden bestand in lockerer Atmosphäre noch die Gelegenheit für Gespräche und einen entspannten Ausklang der zwei anregenden Tage zu Digitaler Kultur.